Wenn Daten zur Überwachung der biologischen Vielfalt nicht ausreichen
Vom EU-finanzierten Projekt EuropaBON unterstützte Forschende sind zu einer beunruhigenden Schlussfolgerung in Bezug auf die derzeitigen Daten zum Monitoring der biologischen Vielfalt gelangt. Ihre in der Fachzeitschrift „Ecography“ veröffentlichte Studie verdeutlicht, dass die vorhandenen Daten viel zu unvollständig sind, um ein zuverlässiges Bild der globalen Entwicklung der biologischen Vielfalt zu zeichnen. Wir sind mit einem weltweiten Rückgang der biologischen Vielfalt konfrontiert. Dieses Problem ist ohne eine bessere Überwachung der biologischen Vielfalt nicht zu bewältigen. Die häufigste Überwachungsmethode ist die Bestimmung des Artenreichtums auf lokaler Ebene. Doch während der Verlust von Arten auf globaler Ebene alarmierende Ausmaße annimmt, entspricht dies nicht immer dem, was auf lokaler Ebene geschieht. „In der wissenschaftlichen Gemeinschaft wurde heftig darüber diskutiert, warum die großen globalen Gesamtstudien bisher keine negativen Trends beim lokalen Artenreichtum festgestellt haben“, erklärt der leitende Autor der Studie und EuropaBON-Projektkoordinator Prof. Henrique Pereira von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in einer Pressemitteilung des Zentrums. „Wir zeigen, dass der Rückgang der lokalen Artenvielfalt wahrscheinlich viel geringer ist als von vielen angenommen, und dass unter diesen Bedingungen selbst geringe räumliche Abweichungen und Fehler beim Monitoring dazu führen, dass globale Trends nicht erkannt werden.“
Der Weg zur Ungenauigkeit
Um ein globales Bild von den Vorgängen aufgrund des Artenreichtums auf lokaler Ebene zu erhalten, müssen alle verfügbaren lokalen Beobachtungsdaten zusammengetragen und über die Zeit hinweg ausgewertet werden. Die Sache hat jedoch einen Haken, wie Dr. José Valdez, Postdoktorand am iDiv und an der MLU und Erstautor der Studie, erklärt: „Das Artenvorkommen wird auf der ganzen Welt von vielen verschiedenen Personen, Einrichtungen und Organisationen erfasst. Das Problem mit den Daten ist, dass diese unter völlig unterschiedlichen Bedingungen und meist nicht nach standardisierten Regeln erfasst wurden und werden. Führt man sie dann zusammen, addieren sich die Fehler und Abweichungen und das Ergebnis wird sehr ungenau.“ Das Team untersuchte, wie die Monitoringresultate von Faktoren wie der Anzahl oder Größe der Probeflächen, den Zeitabständen zwischen den Probenahmen, Fehlern bei der Zählung der Arten an einem Standort und Verzerrungen bei der Standortwahl beeinflusst wurden. Sie konnten zeigen, dass es theoretisch möglich wäre, globale Veränderungen der biologischen Vielfalt innerhalb eines Jahrzehnts zu identifizieren, wenn man Hunderte Standorte perfekt beprobte, oder sogar innerhalb von drei Jahren bei Tausenden Standorten. In der Realität gibt es jedoch keine perfekten Probenahmen. Monitoringdaten sind in der Regel zu 10 % bis 30 % fehlerhaft. Die Forschenden stellten fest, dass sich die Möglichkeit, globale Veränderungen zuverlässig erkennen zu können, schon bei lediglich 5 % Messfehlern drastisch verringerte. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass präzise globale Aussagen zu Trends der lokalen Artenvielfalt die perfekte Beprobung einer unvorstellbar großen Anzahl von Probeorten erfordern würde“, fügt Dr. Valdez hinzu. „Es stellt sich jedoch die Frage, ob dies für einen wirksamen und zeitnahen Schutz der biologischen Vielfalt überhaupt nützlich oder sinnvoll wäre.“ Die Autorinnen und Autoren schlagen daher vor, lokalen und regionalen Bewertungen der Veränderungen der biologischen Vielfalt Vorrang einzuräumen, die durch Modelle unterstützt werden, die Messfehler und Verzerrungen berücksichtigen. Dr. Valdez stellt fest: „Naturschutzstrategien und -maßnahmen werden nicht auf globaler Ebene, sondern auf lokaler und nationaler Ebene koordiniert und umgesetzt. Die Messung von Trends bei der biologischen Vielfalt auf diesen kleineren Skalen ist nicht nur praktischer, sondern hilft auch dabei, die Ursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt zu verstehen und die Fortschritte der Erhaltungsmaßnahmen zu bewerten.“ Im Rahmen seiner Bemühungen zur Verbesserung der Überwachung der biologischen Vielfalt veranstaltet das Projekt EuropaBON (Europa Biodiversity Observation Network: integrating data streams to support policy) zudem einen virtuellen Workshop über die Arbeitsabläufe in Bezug auf wesentliche Biodiversitätsvariablen. Für den Workshop, der vom 22. bis 24. Februar 2023 stattfindet, ist jetzt eine Registrierung möglich. Weitere Informationen: EuropaBON-Projektwebsite
Schlüsselbegriffe
EuropaBON, biologische Vielfalt, Biodiversität, Überwachung, Monitoring, Arten, Artenreichtum