Bioinformatik-Werkzeuge für die genauere Diagnostik von Viren und die Kontrolle von Epidemien
Neueste Fortschritte bei Sequenziertechnologien sind u. a. die Entwicklung von Sequenzierungsverfahren der nächsten Generation und schnellen, bioinformatisch unterstützten Genanalysen für Einzelpersonen und Bevölkerungsgruppen. NGS-gestützte Genanalysen werden in Forschungs- und klinischen Labors im öffentlichen und privaten Sektor immer mehr zum Standard. Doch obwohl die NGS-Plattformen inzwischen Millionen von Sequenzfragmenten generiert haben, kann die Virusdiagnostik davon bislang nur auf einen Bruchteil zugreifen. Die größte Hürde ist, dass selbst neueste bioinformatische Methoden noch immer zu langsam sind für die schnelle und genaue Klassifizierung und Assemblierung bekannter und unbekannter Viren anhand vorliegender NGS-Daten aus Metagenomen. Schwerpunkt des Konsortiums VIROGENESIS waren somit neue Berechnungsmethoden und Softwareprogramme, um Engpässe in der Bioinformatik bei der Analyse und Umsetzung von NGS-Ergebnissen in die klinische und medizinische Versorgung im Bereich Virologie zu überwinden. Ein weiteres wichtiges Ziel war die Entwicklung neuer Methoden, um im Verlauf von Virusepidemien in Echtzeit Veränderungen im Virusgenom zu entdecken und hierfür die von den NGS generierte große Datenmengen zu Viren zu nutzen. Die Projektpartner entwickelten daher benutzerfreundliche Softwareprogramme für eine dynamische und interaktive Visualisierung des Ausbruchs von Epidemien, nahezu in Echtzeit. Bioinformatik-Werkzeuge zur Viruserkennung und Analyse klinischer Daten Das VIROGENESIS-Konsortium generierte Algorithmen und Softwareanwendungen für die Analyse von NGS-Daten und räumte damit die größten Hürden bei der Erforschung der Virusassemblierung und -klassifizierung aus dem Weg. Auf dieser tragfähigen Grundlage wurde dann der voll funktionsfähige webbasierte Bioinformatik-Framework Genome Detective entwickelt, mit dem alle bekannten Virusfamilien mithilfe von NGS und Sanger-Sequenzierungsdaten schnell und einfach diagnostiziert werden können. Mit den flexibleren und schnelleren Anwendungen sind Analysen in den Bereichen Diagnostik, Phylogeographie, Phylodynamik und Übertragung von Arzneimittelresistenzen im Alltag möglich. Die Werkzeuge von VIROGENESIS vereinfachen die Umsetzung der Ergebnisse aus NGS-Analysen, um mikrobielle Mutationen, Übertragungsquellen, geographische Herkunft und Ausbreitung von Krankheitserregern genauer untersuchen zu können. Ein wichtiges Ergebnis ist, dass nun mehrere abgeschlossene Projektentwicklungen für Genomanalysen zur Verfügung stehen, etwa die quelloffene Desktop- und Multiplattform-Software UGENE mit einer Reihe gängiger Bioinformatik-Werkzeuge. VIROGENESIS arbeitete zudem mit LUCIAD zusammen, dem Unternehmen, das Softwarelösungen für die geografische Situationserkennung entwickelt. Das Kooperationsvorhaben unterstützt die Entwicklung einer Plattform für die dynamische Visualisierung und die Identifizierung ökologischer, demografischer und epidemiologischer Faktoren, die Einfluss auf die Ausbreitung von Viren haben. VIROGENESIS-Anwendungen bei derzeitigen Virusepidemien Während der jüngsten Ebola-Epidemie haben mehrere internationale Forschergruppen das Ebola-Virus für Forschung- und Medizin sequenziert. Dabei erwies sich die Software von VIROGENESIS in mehreren Studien zu jüngsten Ausbrüchen in Afrika und Südamerika als sehr effizient. Der Discovery-Framework Genome Detective identifiziert virale Pathogene direkt aus NGS-Daten. Indem diese Daten mit weiteren VIROGENESIS-Werkzeugen kombiniert werden, können aussagefähige Visualisierungen und dynamische grafische Benutzeroberflächen generiert werden, mit denen Epidemien in Echtzeit und geographisch überwacht werden können. In einer Studie wurde ein Beispiel für den effizienten Nachweis von Viruspathogenen vorgestellt. Dabei wurden VIROGENESIS-Werkzeuge und Echtzeit-Sequenzierungsdaten für die genomische, geographische und epidemiologische Überwachung der Gelbfieber-Epidemie 2018 in Brasilien eingesetzt. VIROGENESIS vereinfacht die effiziente Analyse von NGS-Daten zur Virusdiagnostik und -erkennung sowie zur Epidemiekontrolle. Die Projektkoordinatoren erläutern: „Mit der verstärkten Erfassung genomischer NGS-Daten zu Virusepidemien und neuen Ausbrüchen gehen wir davon aus, dass die Werkzeuge von VIROGENESIS künftig häufiger zur Analyse von Daten eingesetzt werden, wenn es auf die schnelle Identifizierung des Virustyps und der Übertragungsquelle ankommt.“
Schlüsselbegriffe
VIROGENESIS, NGS, Bioinformatik, Software, Virenausbrüche, Virenentdeckung