Intelligente App für Arzt-Patienten-Konsultation verbessert Therapien
Eine Vorstellung beim Allgemeinarzt dauert, abhängig vom jeweiligen Land, etwa 5 bis 22 Minuten. In Europa beträgt die Konsultationsdauer durchschnittlich nur 10 Minuten, und in der Regel erinnert sich der Patient nur an etwa 14 % der vermittelten Informationen. Von therapeutischer Relevanz ist dies vor allem, weil „in Industrieländern nur etwa die Hälfte aller chronisch kranken Patienten den Therapieplan (Adhärenz einhält“), wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet. Dies erhöht die Zahl der Krankenhausaufenthalte sowie Kosten und soziale Belastung, aber auch die Zahl vorzeitiger Todesfälle, die von der OECD mit 200 000 jährlich angegeben wird. Das EU-finanzierte, von eMedia koordinierte Projekt Anatomus sollte der Ursache für die Nichteinhaltung des Therapieplans entgegenwirken, der offenbar die unzulängliche Interaktion zwischen Arzt und Patient zugrunde liegt. So entwickelte die Forschergruppe ein digitales Instrument zur personalisierten Dokumentation eines Arztgesprächs, um Kommunikation, Patientenmitwirkung und damit auch das Befolgen des Therapieplans zu verbessern. Unterstützt durch die EU-Förderung führte die Gruppe einen so genannten Usability-Test durch, um die Gebrauchstauglichkeit mit 1 000 medizinischen Fachkräften und deren Patienten zu prüfen. Für eine Machbarkeitsstudie wurde die Interaktion per Video aufgezeichnet und ausgewertet, zudem wurden bewährte Praktiken für den sicheren Datenaustausch mit dem Patienten vorgestellt. Mark Campbell zufolge, dem Mitbegründer und Projektkoordinator von Anatomus, „sind die Feedbacks zur Nutzeroberfläche und die Nutzererfahrungen bislang hervorragend.“
Rekapitulation des Arztgesprächs
Damit der Patient seine Krankheit besser verstehen und das Arztgespräch genauer rekapitulieren kann, arbeitet die Anatomus-App mit browserbasierter Software und Cloud-Computing-Speicherung. Nach abgeschlossener Entwicklung können Nutzer die Konsultation datenschutzkonform als 3D-, Audio- und Videodateien abspeichern, verschlüsseln und in ihrem Cloud-Profil speichern. Das System enthält auch mehrere Anatomiemodule zur Funktionsweise einzelner menschlicher Körperteile, sodass Nutzer gesprächsrelevante anatomische Informationen abrufen und als künftige Referenz abspeichern können. Um das Verständnis und spätere Erinnern zu verbessern, können die Datensätze im System nutzerspezifisch auch durch Anmerkungen und Abbildungen ergänzt werden. Anatomus wurde an verschiedenen Standorten in Deutschland, Irland und den Vereinigten Staaten mit 1 000 medizinischen Fachkräften und deren Patienten getestet, von denen einige anschließend befragt wurden. Auch Nutzer von Ferndiagnostik, denen man eine Testversion von Anatomus zukommen ließ, wurden in einem Fragebogen zu Verwendung und Umgang mit dem Instrument befragt sowie zu Aspekten, die gefielen oder missfielen. Weiterhin führte das Team in Galway, Irland, Usability-Tests nach dem „Think Aloud“-Prinzip durch (Lautes Nachdenken), in denen Nutzer erklären sollten, was sie beim Lösen der Aufgaben anschauten, dachten, machten und empfanden. „Die Tests lieferten ein umfassendes Feedback, mit dem wir die Nutzererwartungen besser verstehen und gleichzeitig einfache Anwendung und klare Kommunikation garantieren konnten, um Unklarheiten oder Missverständnisse zu vermeiden“, sagt Campbell.
Stärkung der Eigenverantwortung von Patienten
Anatomus unterstützt die EU-Richtlinie zur Förderung von Innovationen zum Nutzen der Patienten in den EU-Gesundheitssystemen (2015) , da die Innovation Patienten hilft, die eigene Krankheit nicht nur besser zu verstehen, sondern auch ihr Selbstvertrauen zu stärken. So sollen Patienten ermutigt werden, eigenverantwortlicher für das eigene Wohlergehen zu sorgen. „Anatomus ist eine revolutionäre eHealth-Multimediatechnologie, die wir nun so gestalten wollen, dass sie reibungslos in Arbeitsabläufe des medizinischen und Pflegepersonals sowie das Leben der Patienten integriert werden kann“, erklärt Greg Micyk, Mitbegründer von Anatomus. U. a. sollen Funktionen wie sicheres Speichern und Freigabe von Inhalten an Dritte hinzukommen. Derzeit existiert das System als browserbasierte Webanwendung für PCs und Mac-Computer, und angespornt durch die ersten Feedbacks will die Forschergruppe im Sommer 2020 Versionen für Smartphones anbieten.
Schlüsselbegriffe
Anatomus, Anatomie, Arztgespräch, Arzt, eHealth, Patient, Cloud Computing, Behandlung, chronische Krankheit, Adhärenz