Von der intelligenten Plattform zur Schuldenbeitreibung profitieren Verbraucher und die Insolvenzbranche
Die Verwaltung der Schuldenbeitreibung treibt die Betriebskosten von Insolvenzunternehmen in die Höhe, da viele von ihnen nach wie vor manuelle und fehleranfällige Verfahren anwenden. Der rapide Anstieg von Insolvenzfällen kann auch dazu führen, dass die Fälle mangelhaft bearbeitet werden und dabei über das Wohlbefinden der Kundschaft hinweggesehen wird und die Ausfälle der Rückzahlungen zunehmen. Cerebreon entwickelte eine cloudbasierte Datenplattform zur Stärkung von Insolvenz- und Schuldenbeitreibungssoftware, um das Personal bei der Bearbeitung der vielen Fälle zu unterstützen. Die Plattform wird in Microsoft Azure gespeichert und der Zugriff erfolgt gesichert über einen Webbrowser. Die EU-Finanzmittel für das Projekt Cortx ermöglichten es dem Cerebreon-Team, Feedback von potenzieller Kundschaft zu integrieren, um die Funktionen für Nutzungsfreundlichkeit und Sicherheit der Plattform in der technischen Entwicklung zu verbessern. Ein Schlüsselergebnis war die Erkenntnis, dass die Technologie auch in Schuldenportfolio-Software integriert werden könnte, die in Bankabteilungen eingesetzt wird, die für die notleidenden Forderungen und Kredite zuständig sind.
Schuldenbeitreibung durch maschinelles Lernen
Die Plattform von Cerebreon verwaltet die Schuldenbeitreibung anhand von Prognosen wahrscheinlicher Ergebnisse, die durch maschinelles Lernen mittels automatischer Verarbeitung und Analyse von Insolvenzdokumenten erstellt werden. Sowohl „überwachtes“ maschinelles Lernen, bei dem die Algorithmen mit einem historischen Datensatz trainiert werden, sowie „unüberwachtes“ maschinelles Lernen, bei dem die Algorithmen direkt aktuelle Daten verarbeiten, werden eingesetzt, um Muster zu ermitteln und die Arbeitsabläufe der Fälle zu automatisieren. Die Plattform wurde im Arbeitsalltag in einer der führenden Insolvenzfirmen im Vereinigten Königreich getestet. Dabei wurden die Datenerfassung sowie die Automatisierungsfunktion überprüft. Das System verarbeitete mehr als 8 000 Insolvenzdokumente und beseitigte einen erheblichen Rückstand von Fällen innerhalb von zwei Wochen. Über 90 % der Dokumente wurden automatisch validiert, ohne dass dafür manuelle Eingaben erforderlich waren, und das System erzielte eine Datengenauigkeit von über 98 %. Die Plattform war 50 Mal schneller als der manuelle Dateneintrag. „Durch die EU-Finanzmittel konnten wir den gängigen Fehler von Technologieunternehmen vermeiden, zuerst die Technologie zu entwickeln, bevor die Bedürfnisse, die die Technik erfüllen soll, wirklich erfasst wurden“, so Kenneth Doherty, leitender Geschäftsführer bei Cerebreon und Projektkoordinator.
Ein besseres Risikomanagement kommt allen zugute
Zahlungsschwierigkeiten können das Leben von Menschen verändern und zu Armut, Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit und sogar Suizid führen, insbesondere unter jenen, die mit einer hohen Schuldenlast zu kämpfen haben. Durch den Aufschwung des kreditfinanzierten Konsums und in letzter Zeit auch die COVID-19-Krise werden Betroffene noch anfälliger. Insolvenzfirmen, Kreditgeber und die gesamte Wirtschaft werden von automatisierten Verfahren profitieren, da sie das manuelle Datenextraktionsverfahren zur Verarbeitung großer Mengen an Fällen transformieren. Vor allem aber gewährleistet die Plattform, dass gefährdete Menschen gerecht behandelt und vor vorhersehbaren Risiken geschützt werden. Finanzinstitute können beispielsweise frühe Anzeichen für Schwierigkeiten im Konsumverhalten erkennen und die Betroffenen proaktiv unterstützen. „Wir sind zwar kommerzielle Unternehmen, die gewinnbringend arbeiten, aber unser Ethos ist dennoch, dass man immer versuchen sollte, einen anständigen Gewinn auf anständige Weise zu erzielen – diese Ziele schließen einander nicht aus“, so Doherty. Das Team hat drei verschiedene Kundensegmente im Blick: Insolvenzverwaltungsfirmen, die Fälle im Auftrag der Kundschaft/Privatperson verwalten; Kreditgeber, deren Ziel es ist, Schulden beizutreiben; und Kreditorenmanagement-Firmen bzw. Fachleute, die im Auftrag der Kreditgeber arbeiten. Der Insolvenzmarkt im Vereinigten Königreich wird das erste Ziel sein, danach folgen Europa und Nordamerika. Der Weg zur Markteinführung, der jetzt erforscht wird, umfasst direkten Marktzugang durch die Unterstützung einer Agentur, die auf das kommerzielle Wachstum von B2B-Unternehmen spezialisiert ist, sowie Partnerschaften mit dem Fintech Innovation Lab von Accenture und Microsoft. Derzeit arbeitet das Team an der Optimierung der Integration der Plattform in die Systeme seiner Kundschaft sowie mit weiteren Sicherheitstests. Ziel ist die Markteinführung noch in diesem Jahr.
Schlüsselbegriffe
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