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Savage Warfare: A Cultural History of British and American Colonial Campaigns 1885-1914

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Wie „brutale Kriegsführung“ Gewalt und Kontrolle im westlichen Imperialismus prägt

Nach dem 11. September und dem Krieg gegen den Terror trat das Erbe des westlichen Imperialismus wieder deutlich hervor. Als Reaktion darauf befasste sich ein EU-finanziertes Projekt in einer Studie mit dem Konzept der „brutalen Kriegsführung“. Diese Studie könnte die Historikerdebatte um die Kolonialgeschichte Europas neu ausrichten sowie aktuelle populäre Interpretationen dieser entscheidenden Phase der Weltgeschichte verändern.

Das Konzept der „brutalen Kriegsführung“ ist eine klare Militärdoktrin, die um den Höhepunkt des europäischen Kolonialismus herum, zwischen der Kongokonferenz 1885 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, aufkam. In dieser Zeit wurden die Regeln für Konflikte zwischen „zivilisierten“ Mächten in internationalem Recht festgeschrieben, doch für den militärischen Umgang dieser Mächte mit „unzivilisierten“ Völkern wurden keine solchen Regeln formuliert. Stattdessen diktierte die militärische Praxis des Kolonialismus den Einsatz von Gewalt und Zwang in extremem Maße als „das einzige, was die Eingeborenen verstehen“. Eine Doktrin, die bis weit in das 20. Jahrhundert hinein eine Rolle spielte. Amerikanische und britische Fallstudien Im Vergleich zu anderen Imperialmächten geht man bei den kolonialistischen Militäraktionen des Vereinigten Königreichs oder der Vereinigten Staaten üblicherweise davon aus, dass sie von kulturellem Wissen geprägt und Gesetzen unterworfen waren. Neue Forschungen zeigen, dass das nicht ganz stimmt. „Noch heute wird die Taktik der ‚brutalen Kriegsführung‘ der britischen und amerikanischen Kolonialbehörden als erfolgreiches Modell für Maßnahmen zur Aufstandsbekämpfung im 21. Jahrhundert verstanden und gern angenommen“, erklärt der Marie-Curie-Stipendiat Dr. Kim Wagner. „Ein äußerst berüchtigtes Militärhandbuch der Kolonialzeit von 1896 wurde nach dem 11. September sogar von britischen und amerikanischen Truppen im Irak und in Afghanistan genutzt.“ Mit der britischen Kolonialherrschaft in Indien und der amerikanischen Herrschaft über die Philippinen als wichtigste Fallstudien konnte Dr. Wagner zeigen, wie sich die „brutale Kriegsführung“ unter den verschiedenen Mächten ausgebreitet und weiterentwickelt hat. „Die Amerikaner auf den Philippinen haben sich sehr bewusst und offensichtlich von den Erfahrungen der britischen Kolonialisten beim Kampf gegen muslimische ‚Fanatiker‘ inspirieren lassen“, so Dr. Wagner. „Dass amerikanische Truppen Schweineblut einsetzten, rührte von Gerüchten über eine derartige Praxis der Briten in Singapur her, das wiederum aus britischen Erfahrungen in der Provinz North-West Frontier (jetzt Pakistan) befeuert wurde.“ Neuinterpretation des Massakers von Amritsar Dr. Wagner weist auf ein bestimmtes Ereignis hin, das sich 2019 zum hundertsten Mal jährt: das Massaker von Amritsar im April 1919, bei dem britische Kolonialtruppen das Feuer eröffneten und hunderte unbewaffneter indischer Zivilisten töteten. Ein Ereignis, das den Startpunkt der indischen Unabhängigkeitskämpfe markiert. „Das war ein entscheidender Moment für das britische Empire, kann bisher aber nur schlecht eingeordnet werden“, sagt Dr. Wagner. „Das Massaker war nicht nur eine Reaktion auf ein Gefühl des Niedergangs des Reiches nach 1918, sondern eher die letzte Phase eines wesentlich längeren Prozesses. Wenn wir die strukturellen Zusammenhänge des Massakers von Amritsar betrachten, können wir ganz neu denken, wie koloniale Gewalt über imperiale Formen hinweg zu verstehen ist. Die Forschungen stempeln dabei nicht einfach die Briten als rassistische Fanatiker ab oder stellen die indischen Aufständischen als rasenden, blutrünstigen Mob dar, dem jede Legitimation fehlt, sondern liefern eine ausgeglichene Analyse.“ Dr. Wagners Arbeiten über Amritsar sollen zwar zum hundertsten Jahrestag speziell zum öffentlichen Diskurs beitragen, sind aber auch Teil einer größeren vergleichenden Untersuchung zur Krise des britischen Empire nach dem Ersten Weltkrieg, bei der es zwischen 1916 und 1922 zu Unruhen in Indien, Irland und Ägypten kam. „Da die Jahrestage dieser Ereignisse demnächst anstehen, müssen wir unbedingt begreifen, was das Erbe des europäischen Kolonialismus ist. Meine Forschung betrifft direkt aktuelle Probleme von Politik und Öffentlichkeit, wenn es um Themen der modernen Kriegsführung, Reparationsansprüche und offizielle Entschuldigungen für die Verbrechen des Empire geht“, fasst er zusammen.

Schlüsselbegriffe

SAVAGE WARFARE, brutale Kriegsführung, Imperialismus, Kolonialismus, Erbe, Vermächtnis, Amritsar, britisches Empire, Indien, Philippinen

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