Was die Begeisterung für Charles Dickens um die Jahrhundertwende uns heute lehrt
„Game of Thrones“ begeistert weltweit Millionen, wobei die Zuschauerzahl die Schar der Leser bei weitem übertrifft. Die Serie ist damit ein kulturelles Phänomen unserer Tage. 150 Jahre zuvor war es Charles Dickens, der dem George R. R. Martin von heute in nichts nachstand. Obwohl die Zuschauerzahlen damals sehr viel geringer waren, war es damals wie heute die faszinierende Adaption von Büchern, die das Publikum mitriss, wo auch immer die Stücke aufgeführt wurden. Und auch wenn das Medium heute ein anderes ist, der Mechanismus ist gleich geblieben. Wie also lässt sich der Einfluss beschreiben, den ein solches „Teilen“ von Geschichten in verschiedensten kulturellen Kontexten ausübt? Welche Rückschlüsse lassen Adaptionen voriger Jahrhunderte auf Urheberrechte in heutiger Zeit zu? Und wie könnte das Werk des Charles Dickens einer neuen Generation von Zuschauern näher gebracht werden? Dies sind nur einige der Fragen, die das über ein Marie-Curie-Stipendium geförderte Projekt beantworten wollte. Prof. Thomas Betteridge, Studienleiter des Projekts Adapting Dickens (Dickens, Adaptation, and the Nineteenth-Century European Theatre) erklärt: „Was wir im Verlauf des Projekts entdeckten, war, dass Dickens‘ Romane für das Theater adaptiert und europaweit aufgeführt wurden.“ Diese überall praktizierte Umsetzung der Werke von Dickens wirft noch heute Fragen zum Urheberrecht auf – etwa, wie die Ausstrahlung einer Adaption in Amerika verhindert werden kann, bevor die Bücher tatsächlich erschienen sind. „Zu Dickens' Zeiten war es der Telegraph, der als neue Technik künstlerisches Urheberrecht zu unterlaufen drohte, heute ist es das Internet“, sagt Professor Betteridge. Die Probleme liegen jedoch nicht allein beim Urheberrecht. Das Projekt, so Professor Betteridge, untersuchte auch, welche Adaptionen beim heutigen Publikum besonders gut ankommen und wie sie als Lehrmaterial eingesetzt werden können. Prof. Marty Gould stellte zusammen mit Prof. Betteridge im Rahmen des Projekts Material zusammen, das Lehrer dabei unterstützen kann, Adaptionen als pädagogischen Ansatz im Unterricht über Dickens‘ Schaffen zu verwenden. Prof. Gould wird diesen Ansatz der Projektarbeit auf dem NEH-Sommerseminar zum Thema „Reimagining Jane Eyre and Great Expectations: Teaching Literature through Adaptations“ weiterentwickeln. 16 Lehrer aus den Vereinigten Staaten werden sich gemeinsam drei Wochen lang mit dem Thema Adaptation (Film, Theater und Romane) im Unterricht befassen. Im Rahmen des Forschungsprojekts organisierte Adapting Dickens auch einen Workshop in Normansfield. „Insbesondere führten wir Szenen aus dem Theaterstück „Message from Mars“ als loser Adaption eines Weihnachtsliedes auf. Gleichfalls könnte das Stück aber auch Ausdruck eines gesamteuropäischen Interesses am Planeten Mars zu Beginn des 19. Jahrhunderts sein.“ Prof. Betteridge inszenierte zudem das Stück „No Thoroughfare“, das Schauspielstudenten der Brunel University basierend auf der Adaption einer Kurzgeschichte von Dickens und Wilkie Collins schrieben. „Die Studierenden arbeiteten mit Begeisterung an dem Stück, da es sehr melodramatisch ist und deshalb eine andere Herangehensweise erforderte – vor allem keine naturalistische, da es sich um klischeehafte Charaktere handelt.“ Prof. Betteridge konzipiert derzeit mit seinem Kollegen Prof. Gould eine Arbeit zum Thema Urheberrecht und darüber, was Europa aus den Problemen lernen kann, mit denen Dickens zu kämpfen hatte. „Wir wollen weiterhin auf den Netzwerken aufbauen, die wir mit europäischen Wissenschaftler während dieses Projekts schufen. Ziel ist ein europaweites Projekt zu „Mars Craze“ um 1900 herum.“
Schlüsselbegriffe
Adaption der Werke von Dickens, Urheberrecht, Adaption, kulturelle Wahrnehmung