Oral verabreichte, peptidbasierte Nanomedizin zur Behandlung einer Vielzahl von Erkrankungen
Die Arzneimittelindustrie ist zur Behandlung komplexer Erkrankungen zunehmend auf die Wirksamkeit biologischer Moleküle wie unter anderem Peptiden angewiesen. Diese Medikamente müssen jedoch injiziert werden, dies ist ein wesentlicher einschränkender Faktor. Die orale Medikamentenverabreichung ist demgegenüber der wirksamste Verabreichungsmechanismus, der die höchste Therapietreue der Patienten bietet: die Überwindung der Hindernisse, die durch das gastrointestinale Ökosystem dargestellt werden, haben sich jedoch als schwierig erwiesen. Das EU-finanzierte Projekt TRANS-INT (New Oral Nanomedicines: Transporting Therapeutic Macromolecules across the Intestinal Barrier) widmete sich der Überwindung dieser Hindernisse durch ein besseres Verständnis der beteiligten zugrundeliegenden Mechanismen. Das Team identifizierte wichtige Eigenschaften von Wechselwirkungen zwischen Nanomaterialien und Darm, wie z. B. Instabilitäten bei Darmflüssigkeiten die Enzyme enthalten, Schleimhautwechselwirkungen und transepithelialen Transporten. Die gewonnenen Erkenntnisse führten zur Herstellung von Nanoträger-Prototypen für die orale Medikamentenverabreichung, die biologische Hindernisse überwinden sowie zu Formulierungen für Peptid- und Proteinmedikamente zur Behandlung von Erkrankungen mit großen sozio-ökonomischen Auswirkungen. Die Nanoträger-Prototypen Der Magen-Darm-Trakt als Ganzes stellt ein sehr anspruchsvolles Hindernis für die orale Verabreichung von Peptiden dar. Durch Einhüllen eines Peptidwirkstoffs in eine pH-empfindliche Formulierung kann gewährleistet werden, dass dieser den Magen durchquert. Sobald die Peptidmoleküle jedoch den Dünndarm erreicht haben, werden diese sehr schnell in Aminosäuren abgebaut, was zu deren Inaktivierung führt. Selbst wenn die Peptidmoleküle vor diesem Abbau geschützt werden könnten, wäre es ihnen aufgrund ihrer großen Größe und Wasserlöslichkeit dennoch nicht möglich, die Darmschleimhaut zu durchqueren. „Maßnahmen zur Verwendung von Nanotechnologie für eine verbesserte orale Peptidverabreichung stützten sich bislang auf einen Versuch-und-Irrtum-Ansatz“, erklärt Projektkoordinatorin Professor Maria José Alonso. „Dies liegt an den begrenzten Informationen über die Wechselwirkung von Nanomaterialien mit dem gastrointestinalen Umfeld und an unzureichender Forschung zur Peptid-Nanoverkapselung und kontrollierten Freisetzung. Unser Ziel war es, diese Informationen zur Entwicklung von Nanoträgern für die orale Peptidverabreichung zu nutzen, um entweder im Darm oder über den Blutkreislauf eine lokale Wirkung zu erreichen.“ Zur Überwindung dieser biologischen Hindernisse wurden im Rahmen von TRANS-INT maßgeschneiderte Nanoträger entwickelt, indem der strukturelle Aufbau der entsprechenden Komponenten technisch realisiert wurde. Manche dieser maßgeschneiderten Nanoträger enthielten bspw. Penetrationsverstärker wie kationische Polymere und Oligomere, Tenside und Lipide. Andere wurden durch hydrophile Polymerschichten (z. B. Polyethylenglycol) geschützt, die einen Abbau der Peptidladung vermieden, da einer Wechselwirkung mit enzymatischen Proteinen vorgebeugt und die Schleimhautdurchdringung vereinfacht wurde. Durch die Anpassung ihrer Größe und Zusammensetzung wurde die Wechselwirkung der Nanoträger mit dem Epithelgewebe moduliert. Das Team beobachtete, dass der Großteil der untersuchten Nanoträger eine geringe toxische Wirkung für Zellen (Zytotoxizität) hat und ausgewählte Nanoträger eine sehr geringe Toxizität für das Immunsystem von Mäusen zeigten. Über eine Versuchsreihe wurde im Rahmen von TRANS-INT festgestellt, dass ausgewählte, mit Insulin beladene Prototypen gute pharmakologische Reaktionen bei normalen und diabetischen Ratten zeigten. In den meisten Fällen war die Reaktion allerdings variabel und sehr stark von den Versuchsbedingungen (d. h. unterschiedliche Tiermodelle und Verabreichungsprotokolle) abhängig. Eine Formulierung führte zu homogenen und wiederholbaren Reaktionen und wird eingehender an Schweinen untersucht. Diese Ergebnisse weisen auf die zentrale Herausforderung des Projekts hin, die laut Professor Alonso zusammengefasst darin besteht, „die Nanoträger mit den gewünschten Eigenschaften zu übertragen, die es ihnen ermöglichen, biologische Hindernisse zu überwinden und gleichzeitig eine wesentliche Wirkstoffladung mit der notwendigen kontrollierten Freisetzung beizubehalten“. Übertragung in die klinische Entwicklung Die im Zuge des Projekts gewonnenen Erkenntnisse sollen Arzneimittelforschern bei der Gestaltung wirksamerer Formulierungen für die Peptidwirkstoffe in ihren Pipelines helfen. „Zu chronischen systemischen Erkrankungen, die von den Technologien profitieren könnten, zählen unter anderem Diabetes, Adipositas und chronische Schmerzerkrankungen, die alle drei über TRANS-INT erforscht worden sind. Darüber hinaus könnte in naher Zukunft die Behandlung lokaler Erkrankungen wie z. B. Darmerkrankungen von einer zielgerichteten nanotechnologiebasierten Behandlung profitieren“, führt Professor Alonso weiter aus. Um die Projektergebnisse einen Schritt weiter zu führen, befinden sich die Prototypen momentan in der vorklinischen Entwicklungsphase durch die Partner von TRANS-INT. Die Hoffnung besteht darin, einen Prototypen für die klinische Entwicklung eines oder mehrerer oral verabreichter peptidbasierter Nanomedikamente auswählen zu können.
Schlüsselbegriffe
TRANS-INT, Peptide, Nanomedizin, oral, Diabetes, Adipositas, chronischer Schmerz, Erkrankungen, Epithelgewebe, Prototyp, gastrointestinal, Nanoträger