Wie sich Vorurteile Erwachsener auf Kinder auswirken
Vorurteile und Diskriminierung sind drängende globale Probleme. Europaweit und in den Vereinigten Staaten ist die extreme Rechte auf dem Vormarsch, und Einzelpersonen werden häufig aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen diskriminiert, beispielsweise wegen ihrer Ethnie, ihres Geschlechts und/oder ihrer sexuellen Ausrichtung. Das Team des vom Europäischen Forschungsrat (ERC) unterstützten Projekts MINDTOMIND befasste sich mit der Frage, wie sich die zur Diskriminierung beitragenden psychologischen Prozesse am besten charakterisieren lassen. Diese problematischen Einstellungen und Verhaltensweisen treten schon früh in der Entwicklung auf, was ahnen lässt, dass unsere Kinder von unseren Vorurteilen beeinflusst werden. Das Wissen über die komplexen psychologischen Prozesse, durch die diese Vorurteile erlernt werden, ist noch rudimentär, und genau hier setzt die Arbeit von MINDTOMIND an. „Wir arbeiteten daran, zu verstehen, welche Rolle das Lernen bei der Entwicklung von Vorurteilen und Diskriminierung einnimmt. Außerdem wollten wir verstehen, wann Kinder bestimmte, zwischen Gruppen entstehende Vorurteile entwickeln und wie Betreuungspersonen mit ihren Kindern über soziale Gruppen kommunizieren“, erklärt Harriet Over, Professorin für Psychologie an der Universität York im Vereinigten Königreich.
Erste Eindrücke – eher erlernt als angeboren
Das Team setzte eine ganze Palette von Methoden ein, darunter experimentelle Forschung, halbnaturalistische Beobachtung sozialer Interaktionen und Inhaltsanalysen historischer Daten. Innerhalb eines Forschungsstrangs untersuchte das MINDTOMIND-Team, wie Kinder lernen, sich einen ersten Eindruck von anderen zu verschaffen. „Wir wissen“, so Over, „aus früheren Forschungen, dass Erwachsene und Kinder bei der Begegnung mit Fremden schnell Schlüsse ziehen, ob diese Person vertrauenswürdig oder kompetent ist oder nicht.“ Das Team des Projekts MINDTOMIND verfeinerte und erprobte ein lernbasiertes Modell dessen, wie erste Eindrücke von Gesichtern zustande kommen –, das Trait Inference Mapping Framework (TIM) der Zuordnung von Schlussfolgerung aufgrund von Merkmalen. Im Gegensatz zur herrschenden Meinung vertritt das Overs Team die Auffassung, dass Kinder diese ersten Eindrücke durch den Kontakt mit kulturellen Botschaften aus Märchenbüchern, Kunst, Film, Fernsehen und Propaganda erlernen. „In einer Reihe von Studien haben wir nachgewiesen, dass Kinder lernen, andere Menschen aufgrund ihres Aussehens zu beurteilen, wenn sie die emotionalen Reaktionen ihrer Altersgenossen auf sie verfolgen. Wir haben außerdem festgestellt, dass Eltern/Betreuungspersonen ihren Kindern in Gesprächen beibringen, andere aufgrund ihres Aussehens zu bewerten“, fügt sie hinzu. Die Projektarbeit zeigt, dass Beweise, die darauf hindeuten, dass erste Eindrücke von Äußerlichkeiten angeboren sind, ebenso gut durch ein Lernkonzept erklärt werden können.
Außengruppen: Abwertung positiver und Zuschreibung negativer Eigenschaften
Innerhalb eines weiteren Forschungsstrangs untersuchte das MINDTOMIND-Team, wie sich die Beschaffenheit von Vorurteilen bei Erwachsenen am besten charakterisieren lässt. Frühere Forschungen haben ergeben, dass Erwachsene dazu neigen, Außengruppen zu „entmenschlichen“, indem sie ihnen dem Menschen eigene Geisteshaltungen wie Höflichkeit, Rationalität und Wärme absprechen. Im Gegensatz zu dieser vorherrschenden Meinung wurde im Rahmen des Projekts nachgewiesen, dass Außengruppen meist keine einzigartigen menschlichen Werte abgesprochen werden, sondern vielmehr positive Eigenschaften. „In einer Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten haben wir aufgezeigt, dass Mitgliedern von Außengruppen positive, typisch menschliche Eigenschaften wie Höflichkeit und Kultiviertheit abgesprochen werden, während ihnen negative, typisch menschliche Eigenschaften wie Bosheit und Arroganz zugeschrieben werden.“ Diese Projektarbeit legte den Grundstein für angewandte Forschung, bei der untersucht wird, wie Vorurteile und Diskriminierung abgebaut werden können. „Im Rahmen meiner neuen ERC-Finanzhilfe für das Projekt HATESHIELD werde ich eine Frage erkunden, die eher in der angewandten Forschung angesiedelt ist. Ich interessiere mich dafür, wie die Beschäftigung mit der ‚Mannosphäre‘, mit Influenzern wie Andrew Tate, das Verhalten und die Erfahrungswelt junger Menschen beeinflusst. Ich werde mit Bildungsfachleuten zusammenarbeiten, um forschungsgestützte Maßnahmen zur Verringerung von Sexismus unter Kindern und Jugendlichen zu entwickeln und zu bewerten.“
Schlüsselbegriffe
MINDTOMIND, Vorurteile, Voreingenommenheit, Trait Inference Mapping Framework, Psychologie, Kinder, erlernt, Ethnie, Geschlecht