Erweiterte Realität zur Schaffung eines gemeinsamen kulturellen Erbes
Menschen können sich aus vielen Gründen von der Gesellschaft ausgegrenzt fühlen, insbesondere wenn sie in einem Land leben, das nicht ihr Herkunftsland ist. Das gemeinsame Erzählen von Geschichten ist ein wirksames Mittel, um die soziale Integration und den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu fördern. Zudem eröffnen die digitalen Technologien neue Möglichkeiten, ein gemeinsames kulturelles Erbe in den europäischen Städten zu schaffen. Das EU-finanzierte Projekt MEMEX (MEMories and EXperiences for inclusive digital storytelling) wirkt sozialer und kultureller Ausgrenzung entgegen, indem es interaktive digitale Werkzeuge unter Verwendung von erweiterter Realität entwickelt, um Menschen auf kreative Weise in die Erzählung und Neuinterpretation des kulturellen Erbes einzubeziehen. „Das Ziel ist die Förderung von Kreativität und persönlichem Ausdruck, sozialer und kultureller Teilhabe bzw. Ermächtigung sowie der Ausdruck und die Anerkennung kultureller Vielfalt“, erklärt Alessio Del Bue, MEMEX-Projektkoordinator und leitender Forscher am Italienischen Institut für Technologie in Genua, Italien. Das MEMEX-Projekt arbeitet mit drei Gruppen, die in Europa von Ausgrenzung bedroht sind: Migrantinnen in Barcelona, Bürgerinnen und Bürger des 19. Arrondissements in Paris sowie in Lissabon lebende Migrantinnen und Migranten der ersten, zweiten und dritten Generation. Das Projekt beruht auf einem gemeinschaftsorientierten Ansatz, der von den lokalen Teilnehmenden dieser Gruppen aktiv unterstützt wird.
Digitales Geschichtenerzählen und eine Karte voller Erinnerungen
Das MEMEX-Projekt brachte digitales Geschichtenerzählen zum Einsatz, um den Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, kurze persönliche Geschichten auszuarbeiten, die Verbindungen zwischen materiellem und immateriellem Kulturerbe herstellen. Das Team hat einen Prototyp für eine Smartphone-App entwickelt, mit der Nutzende geografisch lokalisierte Geschichten – einschließlich Audio, Text und Video – in erweiterter Realität erstellen, teilen und visualisieren können. Durch die App werden persönliche Erinnerungen und Erlebnisse in der realen Welt sichtbar und an bestimmten Orten in der Stadt zugänglich gemacht. „Die App visualisiert die Geschichten als feste Orientierungspunkte auf einer Karte auf dem Smartphone und verortet die Geschichten eben genau dort, wo wir leben. Entsprechend funktioniert MEMEX wie eine Karte der Erinnerungen, Erfahrungen, Emotionen und Beziehungen zum kulturellen Erbe“, so Del Bue. „In den drei Pilotstädten zeigten die Teilnehmenden eine starke emotionale Verbindung bei der Erstellung der Geschichten und beim Austausch unter Gleichgesinnten, und fühlten sich stolz, als sie diese in der App sahen.“ Die fortschrittlichen Instrumente enthalten zwar Elemente der künstlichen Intelligenz sowie der erweiterten Realität, sind aber so konzipiert, dass sie auch von Nichtfachleuten problemlos zu bedienen sind. In einer Reihe von Workshops zur gemeinsamen Gestaltung wurde die App schrittweise weiterentwickelt, um das Nutzungserlebnis zu verbessern. Das Team hofft, dass von Ausgrenzung bedrohte Gemeinschaften sowie soziale Gruppen – oder Behörden, die mit ihnen zusammenarbeiten – die App nutzen werden, um Erinnerungen zu sammeln und diese mit physischen Orten, Plätzen und Objekten zu verknüpfen, um so den sozialen Zusammenhalt zu fördern.
Geschichten helfen, soziale Ausgrenzung zu beseitigen
Obwohl das Projekt beinahe abgeschlossen ist, wird die Technologie noch nicht bewertet. Das Konzept der App gefiel den Teilnehmenden und wurde von ihnen begrüßt. Soziale, kulturelle und wirtschaftliche Benachteiligungen führten jedoch dazu, dass einige von ihnen nicht in der Lage waren, die Technologie zu nutzen oder zu beherrschen. „Ein zusätzlicher Aspekt des MEMEX-Projekts und künftiger Forschungsprojekte könnte daher darin bestehen, den Gemeinschaften beizubringen, wie sie die Technologie nutzen und ihre Geschichten digital erzählen können, um diese Schwierigkeiten zu überwinden, ihr Engagement zu erhöhen und die soziale Eingliederung zu fördern“, bemerkt Del Bue. „Lokale Behörden und soziokulturelle Fachleute äußerten sich sehr positiv über das Projekt und seine Ergebnisse, aber auch über seinen möglichen Nutzen für sie selbst“, ergänzt Corinne Szteinsznaider, Direktorin für Politik und Projekte beim MEMEX-Partner Michael Culture Association.
Schlüsselbegriffe
MEMEX, digital, Geschichtenerzählen, Erinnerung, Karte, kulturelles Erbe, Randgruppen, Gemeinschaften, Migrantinnen, Migranten, soziale Innovation