Mehr als Milch: Einfluss des mütterlichen Mikrobioms auf die Säuglingsgesundheit
Die erste Muttermilch kurz nach der Geburt – das sogenannte Kolostrum – ist reich an bioaktiven Substanzen und auch Mikroben, die für die Erstbesiedelung des Säuglingsdarms sorgen. Noch ist jedoch wenig bekannt, ob und inwieweit auch in der weiteren Stillzeit ein Transfer dieses Mikrobioms von der Mutter auf das Kind stattfindet. Das EU-finanzierte Projekt MAMI (spanische Webseite) sollte den Kenntnisstand zu diesem Prozess und den Einflussfaktoren auf das mütterliche Mikrobiom erweitern. „Die Idee entstand, als ich selbst Mutter wurde“, erklärt Projektkoordinatorin María Carmen Collado. „Dabei ging es hauptsächlich natürlich um mein Kind, aber was war mit mir als Mutter? Mikrobiom, Milch, Ernährung und alles andere, was die Mutter betrifft, betrifft auch den Säugling.“ Welche Faktoren die Bildung der Darmflora bei Neugeborenen beeinflussen, ist schon umfassend erforscht, im Gegensatz zu Faktoren, die das mütterliche Mikrobiom in Schwangerschaft und Stillzeit modulieren. „Eine Veränderung der Zusammensetzung der mütterlichen Darmflora wird auch im Mikrobiom des Säuglings angezeigt, was kurz- und langfristig Folgen für dessen Gesundheit haben wird“, merkt Collado an.
Personalisierte Ernährungsempfehlungen
„Muttermilch ist mehr als bloße Nahrung“, so Collado, „da sie bioaktive Bestandteile enthält, u. a. Immunabwehrstoffe wie Zytokine und Hormone, aber auch Bakterien mit ihren Metaboliten und Oligosacchariden, die vom Menschen zwar nicht unmittelbar genutzt werden, aber die Nährstoffversorgung seiner Kommensalflora (Bakterien) sichern.“ Die Zusammensetzung der Muttermilch wird dabei kontinuierlich der Entwicklung des Säuglings angepasst. Um diesen Prozess besser zu verstehen, nahmen Collado und ihre Forschungsgruppe am Spanischen Nationalen Forschungsrat, CSIC 250 Mütter und ihre Neugeborenen in eine Studie auf und begleiteten sie bis 24 Monate nach der Geburt. Erhoben wurden Daten zum Mikrobiom, Ernährungsverhalten und Säuglingswachstum sowie zu Biomarkern und medizinischen Befunden wie Allergien und anderem. „Die Dokumentation belegte, wie wichtig die mütterliche Ernährung für die Ausbildung der Darmflora beim Säugling ist“, fügt Collado hinzu. „Wir müssen lernen, die Mikroben unserer Darmflora in den entscheidenden Phasen des menschlichen Lebens wie Schwangerschaft, Stillzeit und ersten Lebenstagen gesund zu halten.“
Förderung gesunder Darmflora
Collado hofft, dass die Ergebnisse ihrer Studie Kliniken neue Ernährungsempfehlungen für werdende Mütter an die Hand geben können, die die Zusammensetzung der Darmflora verbessern. „Zwar existieren bereits Empfehlungen, bestimmte Lebensmittel in der Schwangerschaft zu meiden, aber noch wurde nicht erklärt, was für eine gesunde Darmflora getan werden kann“, merkt sie an. Der nächste Schritt wäre somit, spezifisch die Funktionalität jeder Mikrobenart zu klären, um den Schweregrad einer gestörten Darmflora wissenschaftlich bemessen zu können und die Lücke gegebenenfalls durch ergänzende Darmbakterien zu schließen. Die Entwicklung von Nahrungsergänzungsmitteln, funktionellen Lebensmitteln und anderen Therapien, bei denen schädliche durch vorteilhafte Bakterien ersetzt werden, sowie Modulation, die den adäquaten Transfer des Mikrobioms von der Mutter auf das Neugeborene fördert, ist wichtig für die gesunde Entwicklung der neonatalen Darmflora. Mit diesen Fortschritten bieten sich neue Möglichkeiten, durch Modulation Störungen der Darmflora bei Müttern und Neugeborenen zu beheben, die auf Antibiotikatherapien, Ernährungsdefizite oder unzureichendes Stillen zurückgehen. Unterstützt wurde das Projekt vom Europäischen Forschungsrat. „Für mich hat sich ein Traum erfüllt: Ich konnte meine Arbeitsgruppe aufbauen, eigene Ideen verfolgen und natürlich weitere Projekte in Angriff nehmen“, erklärt Collado. Derzeit analysiert sie das Mikrobiom von Frühgeborenen und Veränderungen der mütterlichen Darmflora in der Schwangerschaft sowie deren Einfluss auf die kindliche Entwicklung vor und nach der Geburt.
Schlüsselbegriffe
MAMI, Muttermilch, Säugling, Mutter, Mikrobiom, Übertragung, Ernährung, Bakterien, Stillen, Entwicklung