Politik und Dynamik im Handelssystem des alten Rom: Was wissen wir wirklich?
Die Geschichte des klassischen Altertums basiert auf abduktiver Hypothesenbildung und setzt die Fähigkeit voraus, vorherige Hypothesen diskutieren, prüfen und falsifizieren zu können. Im Laufe der Zeit haben mehrere Forschende ein breites Spektrum an Hypothesen entwickelt, um die Organisation des Handels im Römischen Reich zu erklären. Dabei kreisen die meisten Diskussionen der Fachleute um die Untersuchung der Ernährungswirtschaft. Doch diese Hypothesen sind rein spekulativ und weil es kaum formale Modelle gibt, um die verfügbaren Daten objektiv zu analysieren, sind sie zudem nur schwer falsifizierbar.
Wie sich das Hindernis überwinden lässt
„Das wichtigste Ziel im Projekt EPNET war, mithilfe formaler Instrumente bestehende Hypothesen rund um die Römische Wirtschaft zu falsifizieren, damit wir verstehen, welche Produkte in welchen Zeiträumen über die einzelnen geografischen Regionen verteilt wurden“, erklärt José Remesal, Koordinator des Projekts EPNET. Er fügt noch hinzu: „Zudem wollten wir ermitteln, welche Rolle verschiedene politische und wirtschaftliche Akteure bei der Kontrolle von Produkten und Handelsnetzen spielten.“ Um Antworten auf diese wissenschaftlichen Fragen zu finden, hat ein starkes fächerübergreifendes Forschungsteam eine innovative Rahmenstruktur erarbeitet, mit der sich die politischen und wirtschaftlichen Mechanismen untersuchen lassen, die im Römischen Reich für die Dynamik des kommerziellen Handelssystems charakteristisch waren.
Was in EPNET genau untersucht wird
EPNET konzentrierte sich auf die Erforschung von Epigraphiken und Amphoren aus dem CEIPAC-Datensatz. Diese zählen zu den genauesten archäologischen und historischen semantischen Markern, die im Handelssystem des Römischen Reiches verfügbar sind. Dank dieser Arbeiten durfte sich EPNET am www.eagle-network.eu (Eagle Network) beteiligen. „Die Forschungsaktivitäten drehten sich im Einzelnen um die Entwicklung einer Bereichsontologie, die Freigabe der semantischen Datenbank von CEIPAC und ihre anschließende Integration in eine Reihe bestehender Datenbanken, wobei Zugriff und Integration der Daten ontologiebasiert erfolgen sollten“, so Remesal. Mit diesem Ansatz wurde auch ein www.romanopendata.eu (semantisches Portal) erstellt. „Dieser Teil war besonders innovativ, weil der semantische Ansatz mit Technologien zur Datenvisualisierung verknüpft wurde, sodass datengestützte Forschung und Mustererkennung möglich werden“, ergänzt Remesal. Bei ihrer Untersuchung des Römischen Reiches wählten die Forschenden zudem einige Grundpfeiler bzw. paradigmatische Punkte aus, um einen Überblick zu bekommen. Laut Remesal handelte es sich um: „Die Colonia Ulpia Traiana, also das heutige Xanten, Mutina, Pompeji und den Monte Testaccio in Rom, der Hauptstadt des Römischen Reiches.“ Remesal weiter: „Wir haben auch einige Bücher und Artikel veröffentlicht und interdisziplinäre Umgebungen entwickelt.“
Blick in die Zukunft
„Für unsere Forschung haben sich neue Herausforderungen ergeben. Ein direktes Ergebnis war, dass wir nun Teil des Projekts ARIADNEplus sind, das über ein ontologisches System mehrere Datenbanken zur Geschichte und Archäologie der klassischen Welt miteinander verbinden will“, merkt Remesal an. Ausgangspunkt der Untersuchungen von EPNET waren ursprünglich Epigrafiken auf Amphoren gewesen. Nun will das Projekt diese Dokumente aus völlig neuen Perspektiven betrachten. EPNET will unter Einsatz der innovativen Analysemethoden, die im Rahmen des Projekts erarbeitet wurden, auch eine Studie entwickeln, die professionelle Unternehmen im Zusammenhang mit dem Lebensmittelhandel und den neuen Perspektiven untersucht.
Schlüsselbegriffe
EPNET, Hypothesen, Handelssystem im Römischen Reich, CEIPAC-Datenbank, semantisches Portal