Auswirkungen veränderter Diagnose psychischer Erkrankungen im Kindesalter auf das spätere Leben
Wird bei einem Kind eine psychische Störung diagnostiziert, kann dies tiefgreifende psychische, soziale und emotionale Folgen haben. Aus verschiedensten Gründen verändert sich bei einigen Kindern jedoch die ursprüngliche Diagnose im Verlauf der psychiatrischen Behandlung. Für bessere Aufklärung und Unterstützung muss genauer erforscht werden, wie Kinder und Jugendliche auf solche Veränderungen reagieren.
Mixed-Methods-Studie bei Kindern mit diagnostizierter psychischer Störung
Unterstützt durch das Marie-Skłodowska-Curie-Programm untersuchte das Projekt PAEDS, wie betroffene Kinder und ihre Familien mit der Diagnose einer psychischen Störung und deren späterer Anpassung umgehen. „Unser Ziel war ein besseres Verständnis dafür, wie, warum und wann es zum ‚diagnostic shift‘ kommt, und wie sich dies auf junge Menschen und ihre Familien auswirken kann“, erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Cliodhna O’Connor. Das Projekt bestand aus zwei Phasen: zunächst prüften die Forscher anhand klinischer Dokumentation psychosozialer Dienste für Kinder und Jugendliche (child and adolescent mental health services, CAMHS) im Vereinigten Königreich, wie häufig Diagnosen verändert werden. In der zweiten Phase wurden Jugendliche in Irland befragt, wie sie dies erlebten. Eine Sichtung der klinischen Dokumentation bei mehr als 12 500 Kindern ergab bei etwa 19 % eine diagnostische Anpassung, nachdem sie klinisch-therapeutisch behandelt worden waren. Weiterhin wurden soziodemografische und klinische Faktoren identifiziert, die auf eine spätere Anpassung der Diagnose hindeuten. Qualitative Befragungen zeigten, dass eine diagnostische Anpassung in verschiedenster Hinsicht klinische, emotionale und soziale Auswirkungen auf das Leben Jugendlicher haben kann. Aus klinischer Sicht kann die diagnostische Anpassung in neuen Behandlungsoptionen oder besserer Mitwirkung an der Therapie resultieren, aber auch zu Enttäuschungen über nicht erfolgte oder falsche Diagnosen führen. Zudem überdachten Jugendliche dadurch oft auch ihr Selbstbild oder ihre Zukunft. Aus sozialer Sicht beeinflusst ein ‚diagnostic shift‘ die soziale Identität des Betroffenen und konfrontiert ihn häufig mit einer neuen Stereotypisierung oder Stigmatisierung. Eine Anpassung der Diagnose kann auch die Beziehung zwischen Eltern und Kind verändern.
Effektive Kommunikation diagnostischer Anpassung
Diagnosen psychischer Störungen können jungen Menschen und Angehörigen wichtige Anhaltspunkte liefern, um die Ursachen ihrer Probleme besser zu verstehen. Insgesamt informierte das Projekt über die Häufigkeit und komplexen Auswirkungen diagnostischer Anpassungen auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen. „Bei PAEDS lag der Schwerpunkt auf den Erfahrungen junger Menschen, um daraus Vorschläge für den Umgang mit und die Kommunikation einer diagnostischen Anpassung abzuleiten“, betont O’Connor. Mit den Resultaten von PAEDS wurden Ressourcen erstellt, damit CAMHS die Aufklärung über und den Umgang mit diagnostischer Anpassung verbessern können. Die Ressourcen wurden auf der Projektwebseite veröffentlicht und umfassen Broschüren für Mediziner, Eltern und Jugendliche sowie einen Zeichentrickfilm für jüngere Kinder. Dort werden Gründe erläutert, warum sich eine Diagnose verändern kann, daraus resultierende Probleme beschrieben und potenzielle Bewältigungsstrategien vorgeschlagen. Künftig sollen neue Leitlinien für Klinikärzte erarbeitet werden, damit diagnostische Übergänge besser kommuniziert und so Verwirrung und Stress bei jungen Menschen vermieden werden kann. Zudem sollen künftig spezifische Faktoren und Verläufe benannt werden, an denen sich positivere oder negativere Reaktionen auf ‚diagnostic shifts‘ erkennen lassen. Mit Blick auf die Zukunft will O’Connor „die Studie zum Einfluss diagnostischer Anpassung bei psychischen Störungen auch auf Erwachsene ausweiten.“
Schlüsselbegriffe
PAEDS, psychosoziale Dienste für Kinder und Jugendliche (CAMHS), Diagnose, Jugendliche, diagnostic shift