Von der EU geförderte Wissenschaftler fordern Novellierung der Stammzellengesetze
Stammzellenforscher von zwei großen, von der EU finanzierten Projekten fordern die Beseitigung der politischen und rechtlichen Barrieren, die die gemeinsame Forschung in diesem Bereich in Europa behindern. Wissenschaftler der Projekte EuroStemCell und ESTOOLS, die beide unter dem Sechsten Rahmenprogramm (RP6) gefördert werden, haben ihre Argumente in einer gemeinsamen Stellungnahme dargelegt, die an die Mitglieder des Europäischen Parlaments gerichtet ist. "Die Forschung wird in einigen Partnerländern, insbesondere in Deutschland und Italien, behindert, was die freie Zirkulation von Ideen und Menschen im Europäischen Forschungsraum erschwert", heißt es in der Erklärung. "Dies verzögert die Entdeckung neuen Wissens und die Entwicklung biomedizinischer und therapeutischer Anwendungen - dem letztendlichen Ziel der europäischen Unterstützung unserer Forschung." Deutsche Gesetze verbieten derzeit die Produktion humaner embryonaler Stammzellen im Land sowie den Import von Stammzelllinien, die nach dem 1. Januar 2002 hergestellt wurden. Zelllinien, die vor 2002 entstanden sind, wurden jedoch nicht mit modernsten Techniken erzeugt und sind oft mit Viren oder tierischen Zellen kontaminiert. Forscher, die gegen die Gesetze verstoßen, riskieren die Strafverfolgung. Die italienischen Gesetze verbieten zwar die Produktion neuer humaner embryonaler Stammzelllinien, aber die Arbeit mit bestehenden Zelllinien ist erlaubt. In der Praxis gewähren öffentliche Geberagenturen Finanzmittel jedoch nur für Forschung mit adulten humanen Stammzellen. "Wir fordern die europäischen Gesetzgeber und Verwaltungen, die auf die Lage Einfluss nehmen können, insbesondere in Deutschland und Italien, auf, Maßnahmen zu ergreifen, die es den europäischen Forschern ermöglichen, frei und ohne Angst vor juristischen Konsequenzen oder dem Verlust von Fördermitteln in ihrem Streben nach Wissen zusammenzuarbeiten," schreiben die Forscher in ihrer Stellungnahme. In der Erklärung beleuchten die Projektkonsortien die Auswirkungen dieser Behinderungen auf ihre Arbeit. So besuchen die ESTOOLS-Projektpartner regelmäßig Partnerlabore, um die unterschiedlichen humanen embryonalen Stammzelllinien zu vergleichen. Deutsche Wissenschaftler nehmen nicht an diesen Besuchen in den Partnerlaboren teil, in denen die neuen Stammzelllinien eingesetzt werden, da sie fürchten, bei ihrer Rückkehr nach Deutschland einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt zu sein. Deutsche und italienische Forscher sind auch nicht sicher, ob sie die Teilnahme an den EuroStemCell-Sommerseminaren aus nationalen oder universitären Mitteln finanzieren dürfen. Außerdem ist man in beiden Projekten besorgt, dass gegen einen deutschen Partner, der eine führende Position übernimmt, z. B. Leiter eines Arbeitsbereichs wird, juristische Schritte in Deutschland eingeleitet werden könnten. "EuroStemCell-Wissenschaftler aus ganz Europa arbeiten zusammen, um embryonale Stammzellen und Gewebestammzellen zu vergleichen und ihr Potenzial für medizinische Anwendungen zu erforschen", erklärte Austin Smith vom Wellcome Trust Centre for Stem Cell Research. "Die Situation in Deutschland und Italien schafft allerdings permanente Probleme, weil unsere Kollegen in diesen Ländern für ihre Teilnahme an Forschungsaktivitäten des Projekts bestraft werden können." "Trotz gemeinschaftlicher Finanzierung unter dem Sechsten und Siebten Rahmenprogramm der Europäischen Kommission bedeutet die aktuelle Gesetzgebung, dass Forscher innerhalb Europas Personal und Zelllinien nicht ungehindert austauschen können", fügte der ESTOOLS-Projektkoordinator Professor Peter Andrews von der Universität Sheffield hinzu. "Das hat enorme Konsequenzen für die Stammzellforschung in Europa und beschränkt die Möglichkeit der Forscher mit unterschiedlichem Fachwissen in unterschiedlichen Ländern, zum Wohle der Allgemeinheit zusammenzuarbeiten." Die gemeinsame Erklärung ist die jüngste einer Reihe von Maßnahmen, die eine Novellierung der Gesetze zur Stammzellforschung in Deutschland und Italien fordern. Im November letzten Jahres mahnte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) schon eine Revision des Stammzellgesetzes aus dem Jahr 2002 an. Insbesondere forderte die DFG die Abschaffung der Stichtagsregelung, um den Forschern die Nutzung neuerer Zelllinien zu ermöglichen, sowie die Aufhebung der Strafandrohung für deutsche Wissenschaftler, die an internationalen Gemeinschaftsprojekten beteiligt sind oder in ausländischen Laboren arbeiten, in denen Zelllinien verwendet werden, die in Deutschland verboten sind. Anfang des Monats veröffentlichten italienische Wissenschaftler ein "Manifest" für die wissenschaftliche Forschung an embryonalen Stammzellen, in dem leichterer Zugang zu Finanzmitteln für diese Forschung gefordert wird. "Wir brauchen eine Veränderung der aktuell unausgewogenen Situation. So sollte die öffentliche Finanzierung von Forschung an embryonalen Stammzellen, die bereits verfügbar sind, wieder aufgenommen werden, da diese Arbeit durch das italienische Gesetz erlaubt ist und ein grundlegendes Merkmal der transparenten Regulierung darstellt, die in den meisten europäischen Ländern angewendet wird", so die Autoren des Manifests.
Länder
Deutschland, Italien