Europäische Studie liefert neue Erkenntnisse über Genmutationen in embryonalen Stammzellen
Europäische Wissenschaftler fanden heraus, dass in humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) durch lange Kultivierung Chromosomenanomalien entstehen können. Die Ergebnisse des Projekts ESTOOLS (Platforms for biomedical discovery with human ES cells), das mit 12 Mio. EUR unter dem Themenbereich "Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie im Dienste der Gesundheit" des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) finanziert wurde, sind jetzt im Fachblatt "Nature Biotechnology" nachzulesen. Ziel von ESTOOLS war die Entwicklung von Fähigkeiten, Werkzeugen und Methoden für die medizinische, pharmazeutische und bioindustrielle Forschung an humanen embryonalen Stammzellen und induzierten pluripotenten Stammzellen (IPS). Die Ergebnisse der neuen Studie sind vor allem für Wissenschaftler interessant, die daran forschen, wie mit solchen krankhaften Veränderungen in kultivierten hES-Zellen umgangen werden könnte, um den Einsatz stammzellbasierter Regenerationstherapien sicherer zu machen. Dem Forscherteam zufolge liefert die Studie auch neue Einblicke in die sogenannten Adaptationsprozesse von Zellkulturen, da bei kultivierten hES-Zellen die Mutationshäufigkeit ähnlich steigt wie bei malignen entarteten Zellen (Krebs). Hieraus wiederum lassen sich Rückschlüsse auf einige genetische Mechanismen der Krebsentstehung ziehen. "Eine verlängerte Zellkultur kann bei hES-Zellen zur Adaptation und Entstehung chromosomaler Anomalien führen, was den Bedarf nach genauen genetischen Analysen dieser Zellen unterstreicht", schreiben die Autoren. Derzeit wird die Anwendbarkeit embryonaler Stammzellen in regenerativen Zellersatztherapien untersucht, da diese Zellen die Fähigkeit besitzen, sich zu regenerieren und zu einer Vielzahl von Zell- und Gewebsarten wie Blutzellen, Neuronen, Knochen- und Muskelzellen zu differenzieren. Den Wissenschaftlern zufolge nimmt die Mutationswahrscheinlichkeit bei einigen hES-Zelllinien zu, wenn sie sich unter Laborbedingungen vermehren, was vergleichbar ist mit bestimmten Veränderungen im Erbgut von Krebszellen. Manche genetische Veränderungen in hES-Zellen sind allerdings mit herkömmlichen Methoden nicht nachweisbar, weshalb der Einsatz humaner embryonaler Stammzellen in der Medizin noch immer heftig umstritten ist. Mittels hochauflösender DNA-Analyse kartierten die Forscher genetische Veränderungen in 17 hES-Zelllinien, die über viele Generationen in verschiedenen Laboren kultiviert worden waren. Die Analyse ergab 843 Variationen in der Zahl der Genkopien (copy number variations, CNV), "24 Prozent der Zellen wiesen Deletionen auf (loss of heterozygosity, LOH), 66 Prozent der CNV veränderten sich in Zellkultur zwischen niedrigen und hohen Passagen der gleichen Zelllinie", heißt es in der Studie. CNV und LOH sind genetische Varianten, die mit der Tumorbildung assoziiert werden. Wie sich herausstellte, zeigten 30 Prozent der Gene mit CNV "eine veränderte Genexpression gegenüber Proben mit einer normalen Anzahl von Genkopien, und 44 Prozent davon wurden funktionell mit Krebs assoziiert." "Kennen wir erst einmal die betroffenen Gene, können wir schneller all jene hES-Zelllinien aussondern, in denen diese Gene mit hoher Wahrscheinlichkeit mutieren", erklärte Koautor Peter Andrews vom Zentrum für Stammzellbiologie der Universität Sheffield, Vereinigtes Königreich, und Leiter des ESTOOLS-Konsortiums. Am ESTOOLS-Konsortium sind 21 Partner (18 akademische Forschungseinrichtungen und 3 Unternehmen) aus der Tschechischen Republik, Finnland, Deutschland, Italien, Israel, den Niederlanden, Spanien, Schweden, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich beteiligt. Den Projektpartnern zufolge kann durch Ausbildungs- und Verbreitungsmaßnahmen der Nutzen dieser Forschungen maximiert und eine leistungs- und wettbewerbsfähige europäische Basis für die humane embryonale Stammzellforschung geschaffen werden.