Ein Schritt nach vorn in der topologischen Quantenberechnung
Der Aspekt, der die Quantenberechnung revolutionär macht – ihr Vertrauen auf die Fähigkeit subatomarer Partikel, in mehr als einem Zustand gleichzeitig zu existieren – ist zugleich der Aspekt, der es erschwert, mit ihr umzugehen. Die schnellere Durchführung von Berechnungen unter Verwendung von weniger Energie ist verbunden mit mehr Umgebungslärm und operativen Fehlern, die deutlich schlimmer sind als bei klassischen Berechnungen. Tatsächlich ist dies eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu verwertbaren Quantenberechnungen. Die Korrektur von Quantenfehlern kann die fehlertolerante Quantenberechnung für ausreichend isolierte Quantensysteme und ausreichend präzise Quantengates ermöglichen. Doch wie Dr. Carmine Ortix vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden sagt, sind die Anforderungen diesbezüglich zu streng. Die Entscheidung für die topologische Quantenberechnung – bei der Qubits topologisch gegen Dekohärenz geschützt werden – mit Majorana-Fermionen als Trägern wäre eine deutlich bessere Lösung, die aber nicht ohne Weiteres zu erreichen ist. „Es gibt zwei wesentliche Schwierigkeiten“, so Dr. Ortix. „Die erste ist die Erfordernis einer substantiellen, intrinsischen Spin-Bahn-Kopplung. Diese verringert die Anzahl der potenziell in Frage kommenden Materialien deutlich. Die zweite ist die geringe Kontrolle supraleitfähiger Paarkorrelationen. Cooper-Paare werden in der nicht-supraleitfähigen Region mit starker Spin-Bahn-Kopplung über den Näherungseffekt eingeführt, wodurch im Herstellungsverfahren ein sehr hohes Maß an Kontrolle und eine gute Qualität der Schnittstelle zwischen Supraleiter und Halbleiter erforderlich wird.“ Mit CNTQC wollte Dr. Ortix diese beiden Probleme überwinden, indem er neue Plattformen einführte, in denen die Erzeugung von Majorana-gebundenen Zuständen nach Bedarf reguliert werden kann. „Die Machbarkeit dieses Konzepts wurzelt in der Tatsache, dass die quantenmechanischen Eigenschaften von Ladungsträgern, die auf gebogene Nanostrukturen beschränkt sind, sich intrinsisch von jenen in einer konventionellen, flachen Nanostruktur unterscheiden. Im Ergebnis unterscheiden sich die elektronischen und damit auch die Transporteigenschaften deutlich“, erläutert er. Das CNTQC-Team bewies erfolgreich, dass das Zusammenspiel zwischen den krümmungsinduzierten Effekten auf elektronische Eigenschaften und der Topologie des Grundzustands eines niedrigdimensionalen Systems signifikant ist. Zum Beispiel induziert die periodische Krümmung eines halbleitungsfähigen Nanodrahtes einen Metall-Nichtleiter-Übergang und definiert somit einen Nanoflex-Transistorschalter – „an“, wenn der Nanodraht flach ist, und „aus“, wenn der Nanodraht ebenflächig gekrümmt ist. „Darüber hinaus verfügen die isolierenden Phasen über eine nicht-triviale topologische Struktur, die zu einem neuartigen, „fraktalen“ Schmetterlingsspektrum führen“, fährt Dr. Ortix fort. „Wir haben außerdem das Konzept der geometrisch geformten Kontrolle der Spin-quantengeometrischen Phase in elliptisch verformten Halbleiter-Quantum-Ringen mit Rashba-Spin-Bahn-Interaktionen eingeführt. Verformungen, die zu einer nicht gleichmäßigen Krümmung führen, resultieren in komplexen dreidimensionalen Spin-Texturen, die aufdecken, wie man eine rein elektrische und rein geometrische Kontrolle über die Elektronen-Spin-Orientierung erlangen kann. Darüber hinaus schaffen diese geometrisch abstimmbaren Spin-Texturen verschiedene Aharonov-Casher (AC)-Interferenz-Muster in Spin-Interferometern.“ Diese Erkenntnisse weisen auf ein enormes Potenzial für neue Gerätekonzepte für Spin-Orbitronik hin, bei welcher der Elektronen-Spin und der elektronische Transport direkt über die Systemgeometrie gesteuert werden. Außerdem kann die geometrische Kontrolle der Spin-geometrischen Phase den Weg für künftige Spintronik-Anwendungen, wie die Kontrolle von dauerhaften Spinströmen, ebnen. Insgesamt hat CNTQC das Konzept des geometrisch anisotropen Magnetowiderstands (GAMR) in gekrümmten offenen röhrenförmigen Nanostrukturen eingeführt; vorhergesagt, dass ein Halbleiter-Kanal in Serpentinenform in der mesoskopischen Skala als elektronisch topologische Ladepumpe fungieren kann, sobald er einem schwach rotierenden Magnetfeld ausgesetzt wird; eine Technik namens „anomale Null-Versatz-Hall-Magnetometrie“ entwickelt, welche die Reichweite von laborbasierten Transportuntersuchungen im spannenden Feld der antiferromagnetischen Spintronik verbessern kann; ein komplett neuartiges Raumtemperaturspeicherelement entwickelt, das allein auf Antiferromagneten basiert und mithilfe eines elektrischen Feldes statt eines Stroms beschrieben werden kann; und die magnetische Bildgebung auf der Mesoskala vorangebracht. Aufbauend auf diesen vielversprechenden Ergebnissen hat das CNTQC-Konsortium beschlossen, mit der Entwicklung einer Übersicht für die künftige Untersuchung von krümmungsinduzierten Effekten in Nanosystemen zu beginnen. Die Ergebnisse des Projekts weisen darauf hin, dass die gekrümmte Geometrie neuartiger Nanosysteme dazu genutzt werden kann, neue Funktionalitäten einzuführen, bei denen Majorana-gebundene Zustände auf kontrollierte Art und Weise eine zentrale Rolle spielen werden.
Schlüsselbegriffe
CNTQC, Quantenberechnung, Majorana-Fermion