Liebling, ich habe den Teilchenbeschleuniger geschrumpft: Kleinere, effizientere Beschleuniger
Der 27 km lange Große Hadronen-Speicherring der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) hat seit seiner Inbetriebnahme eine Reihe von Entdeckungen bewirkt, besonders die Entdeckung des Higgs-Bosons. Weiterführende Fortschritte werden sich jedoch mit der derzeitigen Beschleunigertechnologie als schwierig erweisen. „Größere und leistungsstärkere Beschleuniger könnten sicherlich errichtet werden, aber ihre Kosten, ihr Energieverbrauch und ihre Umweltauswirkungen geben Anlass zur Sorge über ihre langfristige Nachhaltigkeit“, sagt Maurizio Vretenar, Projektkoordinator des EU-finanzierten Projekts ARIES. „Außerdem werden nur 5 % aller Beschleuniger weltweit für die wissenschaftliche Analyse von Teilchen genutzt. Die meisten von ihnen werden in der Medizin und in der Industrie eingesetzt, beispielsweise in der Krebstherapie, bei der medizinischen Bildgebung oder bei der Sterilisation von Geräten und Lebensmitteln.“ ARIES hat eine Reihe innovativer Technologien erforscht, die zu Beschleunigern der nächsten Generation führen könnten, die der wachsenden Nachfrage nach höherer Leistung, Zuverlässigkeit, Kosten und Design gerecht werden. „Das sind sehr spannende Entwicklungen, denn Beschleuniger, die hohe Energien auf kleinem Raum aufbringen, könnten Forschungstätigkeiten und Anwendungen unterstützen, die derzeit nur in Großanlagen möglich sind“, so Vretenar.
Innovationen beschleunigen
ARIES, ein Konsortium mit 42 Mitgliedern aus Wissenschaft und Industrie aus 18 europäischen Ländern, konzentrierte sich auf Innovationen, die am ehesten geeignet sind, den Energiebedarf, die Größe und die Umweltauswirkungen künftiger Beschleuniger zu verringern. „Wir haben Technologien erforscht, darunter supraleitende Magnete, supraleitende Beschichtungen, neue Werkstoffe sowie laser- und plasmabasierte Beschleunigung“, fügt Vretenar, Beschleunigerphysiker des CERN, an dem das Projekt angesiedelt ist, hinzu. Die Forschungsarbeiten des Teams zu bei hohen Temperaturen supraleitenden Magneten führten zu hochentwickelten mehrlagigen Bändern, die zur Herstellung von Spulen für große Magnete verwendet wurden. Daraus resultierten stärkere Magnetfelder mit mehr Strom, die Teilchen auf einem kleineren Radius ablenken können, was die Aussicht auf kleinere, effizientere Beschleuniger eröffnete. „Unsere Ergebnisse waren rekordverdächtig. Nachdem wir 413 Meter Band hergestellt hatten, testeten wir einen Teil davon bei niedrigen Temperaturen und erreichten dabei eine nie dagewesene elektrische Leitfähigkeit“, bemerkt Vretenar. „Wenn wir in der Lage wären, so hohe Energien in einer kompakten Vorrichtung bereitzustellen, würden sich uns wirklich spannende Möglichkeiten eröffnen.“ Die Ergebnisse von ARIES haben in der Zusammenarbeit mit EuPRAXIA bereits dazu geführt, den endgültigen Entwurf und den Bauplan für den ersten betriebsbereiten Teilchenbeschleuniger auf der Grundlage der Plasmabeschleunigung im Nationalen Labor von Frascati in der Nähe von Rom, Italien, in Angriff zu nehmen. Das Plasma wird durch einen Antriebsstrahl reguliert, der extrem hohe elektrische Felder erzeugt. Im Inneren können Elektronen auf hohe Energien beschleunigt werden, und zwar über ein Tausendstel der Strecke, die für herkömmliche Hochfrequenzbeschleuniger benötigt wird.
Neue Umweltvorteile
Das Team ermittelte, entwickelte und testete zudem neue Beschleunigeranwendungen, die der Umwelt zugute kommen könnten, wie z. B. zur Reinigung kommunaler Abwässer. Das Team erschloss ein neues, auf Beschleunigern basierendes System zur Entfernung von Schwefel, Stickstoff und Partikeln aus den Abgasen von Schiffsdieselmotoren. Da der Seeverkehr einer der Hauptverursacher der weltweiten Umweltverschmutzung ist, könnte dieses System in alten Containerschiffen und Tankern nachgerüstet werden. „Ich werde nie den Gesichtsausdruck eines Schiffskapitäns in der Rigaer Werft vergessen, als wir den Schornstein des Schiffes mit unserem Teilchenbeschleuniger verbunden haben. Er war stolz darauf, dass sein alter rostiger Schlepper Teil eines technisch anspruchsvollen Experiments war“, so Vretenar. ARIES hat bereits dazu beigetragen, neue Technologien wie die plasmabasierte EuPRAXIA-Initiative für das Europäische Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen ins Rampenlicht zu rücken, das mehrere beschleunigerbasierte Projekte umfasst. Das Team hat außerdem ein neues EU-finanziertes Projekt namens I.FAST gestartet, um den Transfer von Beschleunigertechnologien in die Industrie zu beschleunigen.
Schlüsselbegriffe
ARIES, Teilchen, Beschleuniger, Elektron, Plasma, Magnet, elektrisches Feld, CERN, Atome, Energie