Neue Dialoge zu synthetischer Biologie
Die synthetische Biologie ist das neueste Forschungsfeld in der Biotechnologie. Damit kann das genetische Material so verändert werden, dass Organismen für einen bestimmten Zweck konstruiert, erzeugt oder modifiziert werden, etwa für resistente Agrarsorten oder die Erzeugung von Lebensmittelaromen. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob die Gesellschaft schon bereit ist für dieses beispiellose Maß an Kontrolle über biologische Prozesse. Sind die Möglichkeiten und Risiken klar, und wie sollen sie kontrolliert werden? Das EU-finanzierte Projekt SYNENERGENE befasste sich vier Jahre lang mit diesen Fragen. "Von Enthusiasten und Förderern bis hin zu harten Gegnern der synthetischen Biologie engagierten sich im Rahmen von SYNENERGENE verschiedenste Personen und Gruppen", sagt Projektkoordinator Christopher Coenen, der sich mit Technikfolgeabschätzungen am Karlsruher Institut für Technologie in Deutschland befasst. Mit synthetischer Biologie lassen sich Mikroorganismen quasi nach dem Lego-Prinzip zusammenbauen, indem verschiedene Abschnitte des Genoms kombiniert werden. "Bei diesen Organismen findet jedoch eine zunehmende Entfremdung von der Natur statt, was völlig neue Risiken mit sich bringt. Auch kann sich die Vorstellung von dem verändern, was wir als "natürlich" verstehen, da mit der synthetischen Biologie erstmals "Leben" und "Natur" auf dem Reißbrett konzipiert werden können", sagt Coenen. Vor allem müsse die Öffentlichkeit umfassend informiert werden, da die gegenwärtigen großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Nachhaltigkeit, Ernährungssicherheit und Klimawandel bewältigt werden wollen. Am SYNENERGENE-Konsortium waren zehn europäische Universitäten und 14 weitere Partner beteiligt, u.a. Firmen, Denkfabriken, ein Netzwerk von Wissenschaftszentren, Museen und eine Kunstgesellschaft, Wissenschaftsjournalisten, ein öffentliches Theater sowie Aktivistengruppen der Zivilgesellschaft. Insgesamt engagierten sich Gruppen aus 14 europäischen Ländern sowie Brasilien, Kanada und den USA. Das Projekt organisierte mehr als 140 zum Teil öffentliche Einzelveranstaltungen und entwickelten eine breite Palette von Lernwerkzeugen, Informationsmaterialien und Interaktionsmöglichkeiten für die Öffentlichkeit. "Wir haben bewährte Mittel für öffentliche Kommunikation, Engagement und Dialog genutzt, aber auch innovative Medien, insbesondere an den Schnittstellen zwischen Kunst und Wissenschaft", erklärt Coenen. Das Projekt sollte eine Vielzahl von Perspektiven eröffnen, insbesondere für die junge Generation. Um ein breites Publikum zu erreichen, wurden zusätzliche Foren eingerichtet und große öffentliche Veranstaltungen organisiert, die durch zahlreiche Organisationen unterstützt wurden. "Wir haben auch Aktivitäten auf spezifische Gruppen wie die neuen DIYbio/Biohacker-Community ausgerichtet", sagt Coenen. Hier führen Enthusiasten meist jüngerer Altersgruppen biologische Experimente und andere wissenschaftliche Aktivitäten durch und entwickeln Werkzeuge für die biologische Forschung außerhalb des akademischen Umfelds. Ein wichtiges Ergebnis des Projekts war, dass Raum für Reflexion und Diskussion geschaffen und dabei eine große Stimmenvielfalt einbezogen wurde. "Obwohl bei einigen Konfliktthemen die Meinungen weit auseinander gingen, etwa bei synthetischer Biologie in Nahrungsmitteln und grüner Biotechnologie im Allgemeinen, konnten wir die Gegner zumindest an einen Tisch bringen", erklärt Coenen. "Das Projekt hat auch eine Vertrauensbasis zwischen unterschiedlichsten Interessengruppen geschaffen, damit sie voneinander lernen können." Mit zahlreichen Veranstaltungen und einer informativen Webseite erreichte das Projekt auch Tausende von Bürgern in- und außerhalb Europas.
Schlüsselbegriffe
SYNENERGENE, Öffentlicher Dialog, Öffentliches Engagement, Synthetische Biologie, Biotechnologie, Biohacker-Community