Warum glauben Menschen, dass sie im Recht sind, selbst wenn sie sich irren?
Sokrates sagte: „Du weißt nicht, was du nicht weißt.“ Er sagte das lange vor Familienessen und Arbeitstreffen. Aber woher kommen so vehemente Meinungen, obwohl nicht alle Informationen vorliegen? Warum wird nicht beachtet, dass es eine andere Betrachtungsweise oder Auslegung einer Situation geben könnte? Ein amerikanisches Forschungsteam meint, die Antwort liegt in der kognitiven Voreingenommenheit. Wenn Menschen überzeugt sind, dass sie Recht haben und die andere Person nicht, dann könnte eine sogenannte Illusion der adäquaten Informationen vorliegen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „PLOS ONE“ veröffentlicht.
Besserwisser
„Wir fanden heraus, dass die Menschen meist nicht innehalten und überlegen, ob es weitere Informationen für eine fundiertere Entscheidung geben könnte“, wird der Mitautor Angus Fletcher, Englischprofessor an der Ohio State University, in einer Pressemitteilung zitiert. „Wenn Sie Menschen ein paar scheinbar schlüssige Informationen liefern, denken die meisten ‚Kommt hin‘ und belassen es dabei.“ Bei einer Online-Studie wurden 1 261 US-Amerikanerinnen und Amerikaner in drei Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe sollte einen Artikel über eine fiktive Schule lesen, an der es an Wasser mangelt. In einem Artikel wurden Gründe geliefert, warum die Schule sich mit einer anderen Schule mit ausreichend Wasser zusammenschließen sollte. In einem anderen wurden nur Gründe dagegen angeführt. Im dritten Artikel wurden alle Gründe für und gegen den Zusammenschluss dargelegt. Das Ergebnis war, dass die zwei Gruppen mit nur einseitigen Gründen dennoch glaubten, über ausreichend Informationen für eine fundierte Entscheidung zu verfügen. Sie glaubten sogar, dass die meisten Menschen eine ähnliche Entscheidung wie sie selbst treffen würden.
Die Wahrheit ist da draußen
„Die Personen mit nur der Hälfte an Informationen waren tatsächlich zuversichtlicher in ihrer Entscheidung für oder gegen den Zusammenschluss als die Personen, die alle Gründe kannten“, berichtet Fletcher. „Sie waren sich ziemlich sicher, dass ihre Entscheidung richtig ist, obwohl sie nicht über alle Informationen verfügten.“ Seine Empfehlung ist, sich zunächst ein umfassendes Bild zu verschaffen, bevor eine Position vertreten oder eine Entscheidung gefällt wird. „Wir haben mit der Studie entdeckt, dass es diesen Standardmodus gibt, bei dem die Menschen denken, alle relevanten Fakten zu kennen, obwohl das nicht der Fall ist“, erklärt Fletcher. „Der erste Schritt bei einer Meinungsverschiedenheit sollte sein: ‚Übersehe ich etwas, um ihre Perspektive einzunehmen und ihre Meinung besser zu verstehen?‘ So kann die Illusion der adäquaten Informationen gebrochen werden.“
Schlüsselbegriffe
richtig, falsch, kognitive Voreingenommenheit, Entscheidung, Meinung, Information, Illusion der adäquaten Informationen