Auswirkungen und Potenzial der Digitalisierung im ländlichen Raum
Die EU räumt der Digitalisierung des ländlichen Raums und der Landwirtschaft Priorität ein, um dringende wirtschaftliche, soziale und ökologische Herausforderungen zu bewältigen. Das Team des EU-finanzierten Projekts DESIRA, an dem 25 europäische Partner beteiligt sind, hat eine Methodik und ein Onlinewerkzeug entwickelt, um die Auswirkungen der Digitalisierung auf den ländlichen Raum anhand sozio-cyber-physischer Systeme zu bewerten. Dieser Ansatz steht im Zusammenhang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und dem EU-Grundsatz der verantwortungsvollen Forschung und Innovation. Im Rahmen von DESIRA sind 20 Reallabore und ein EU-Digitalforum für den ländlichen Raum organisiert worden, um die politische Entwicklung in der EU voranzutreiben. Eine bemerkenswerte Entdeckung des Teams von DESIRA war die deutliche Erkenntnis, dass die strukturellen Herausforderungen des ländlichen Raums durch die ungleichen Ergebnisse eines marktorientierten Digitalisierungsprozesses verschärft werden.
Ein sozio-cyber-physischer Ansatz für digitale Technologien
„Das Tempo der technologischen Innovation kann die Aufholbemühungen des ländlichen Raums untergraben. Aus diesem Grund sind Investitionen in physische und menschliche Infrastrukturen notwendig, aber nicht ausreichend. Es bedarf eines proaktiven Ansatzes, um die negativen Auswirkungen der Digitalisierung zu antizipieren und in den am stärksten gefährdeten Bereichen zu intervenieren“, kommentiert Gianluca Brunori, Projektkoordinator von DESIRA. Brunori weist zudem darauf hin, dass digitale Technologien in ländlichen Gegenden eine entscheidende Rolle spielen können. Sie verbessern das Umweltrisikomanagement, erhöhen die Transparenz der Versorgungskette, verbessern die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen und fördern die Wiederbelebung der Landwirtschaft. Durch die gemeinsame Entwicklung von Lösungen mit ländlichen Gemeinden – wie in den 21 Reallaboren – werden digitale Innovationen auf die lokalen Bedürfnisse zugeschnitten. Trotz der Bemühungen der EU hinkt die Umsetzung auf nationaler Ebene aufgrund verwaltungsbezogener und akademischer Hemmnisse, veralteter Governance und unzureichender lokaler Kompetenzen hinterher. Für eine wirksame Digitalisierung des ländlichen Raums ist eine Mischung aus Top-down- und Bottom-up-Maßnahmen unerlässlich. „Ein sozio-cyber-physischer Ansatz birgt ein großes Potenzial dafür, die Bereitschaft der Nutzenden für digitale Lösungen und die Bereitschaft zur Anwendung von Technologien in bestimmten Kontexten besser zu verstehen. Gleichzeitig öffnet er den Weg zum Verständnis der ‚digitalen Ökosysteme‘, die die Akzeptanz und die Wirksamkeit digitaler Lösungen beeinflussen“, so Brunori.
Das Rätsel um die Auswirkungen der Digitalisierung
Die Forschenden von DESIRA ermittelten drei wichtige Einflussfaktoren: Design, Zugang und Komplexität. Digitale Lösungen müssen so konzipiert sein, dass mit ihnen die Nachhaltigkeit gefördert, die digitale Kluft im ländlichen Raum geschlossen und die Komplexität der Technologie bewältigt werden kann. Die gemeinsame Gestaltung mit der ländlichen Bevölkerung steht im Einklang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, mit denen die Qualität der Arbeit, das Geschlechtergleichgewicht, die Bildung und der Umweltschutz gefördert werden sollen. „Auf diese Triebkräfte durch Mitgestaltung durch die ländlichen Gemeinschaften einzuwirken, ist ein Weg zum Erreichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung, insbesondere in den Bereichen Arbeitsqualität, Geschlechtergleichgewicht, Bildung und Umwelt“, fügte der Projektkoordinator hinzu.
Das transformative Potenzial digitaler Technologien im ländlichen Raum
Das Projekt DESIRA wurde im Mai 2023 abgeschlossen, doch sein Vermächtnis reicht über seine Fertigstellung hinaus. Das Team hat Zusammenarbeit und Partnerschaften mit der Gemeinsamen Forschungsstelle, der Welternährungsorganisation, der OECD sowie mit nationalen Einrichtungen in Europa und anderen Kontinenten initiiert. Das von den Forschenden entwickelte Konzept der sozio-cyber-physischen Systeme gewinnt in der Wissenschaftsgemeinde zunehmend an Bedeutung, und andere Projekte bauen darauf auf. Die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen und die weltweite Anwendung dieses Konzepts sind sehr vielversprechend. Vor diesem Hintergrund bieten die im Rahmen von DESIRA gewonnenen Erkenntnisse über die dynamische digitale Kluft, das transformative Potenzial digitaler Lösungen und die Herausforderungen bei der Umsetzung wertvolle Anhaltspunkte für politische Entscheidungen, Forschung und Innovation auf der ganzen Welt, die den digitalen Wandel im ländlichen Raum vorantreiben.
Schlüsselbegriffe
DESIRA, Digitalisierung des ländlichen Raums, digitale Technologien, sozio-cyber-physischer Ansatz, Ziele für nachhaltige Entwicklung