Die stickstoffbindenden Mikroalgen, die hochwertigen organischen Dünger erzeugen, jetzt mit zusätzlichen Vorteilen
Derzeit sind Düngemittel eine Einschränkung für die nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungssicherheit in Europa. Bei der Produktion von Ammoniakdüngemittel werden enorme Mengen Energie verbraucht, die meist mit klimaschädlichen fossilen Brennstoffen erzeugt werden. Bei der weltweiten Produktion von 150 Millionen Tonnen im Jahr 2010 sind mehr als 450 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen worden – etwa 1 % der CO2-Emissionen. Ammoniakdüngemittel sind mit der Zeit auch schlecht für die Bodenfruchtbarkeit. Außerdem ist die Versorgung mit Mineraldünger in Europa stark durch den Krieg in der Ukraine beeinträchtigt worden, da dieser zuvor hauptsächlich aus Russland importiert wurde. Umweltfreundlichere organische Düngemittel haben sich jedoch meist als unzureichend erwiesen. „Organische Düngemittel sind teurer als chemischer Dünger, führen aber zu weniger Ertrag. Daher sind sie einfach keine kommerzielle Alternative für den rasant wachsenden Sektor der Präzisionslandwirtschaft“, sagt Lior Hessel, Projektkoordinator bei Cyanobacteria. Im Projekt wurde eine Biotechnologie entwickelt, die auf Blaugrünbakterien und Sonnenenergie beruht und mit der hochwertige Flüssigdünger hergestellt werden können. Dieser Prozess wird mit der Kontrolltechnologie aus dem Projekt, AlgaeNite, gesteuert. „Unser Düngemittel ist nicht nur wirksam für Pflanzenwachstum, bei der Herstellung werden kaum Schadstoffe freigesetzt. Unser reduzierter Strombedarf stammt aus erneuerbarer Energie, sodass das Produkt praktisch treibhausgasneutral ist“, ergänzt Hessel vom Projektträger, Go Green FoodTech (weltweit bekannt als Growponics).
Die Technologie mit Mikroalgen
Mittels Sonnenlicht binden die Cyanobakterien Stickstoff aus der Luft. Dieser wird dann extrahiert und oxidiert, sodass Nitrat für Düngemittel entsteht. Das Wasser für das Wachstum der Mikroalgen wird recycelt und das CO2, das bei der Oxidation ausgestoßen wird, wird in das Wachstum der Mikroalgen weitergeleitet. „Bei dem Prozess entsteht auch mehr ‚verfügbarer Stickstoff‘ – die Art, die für Pflanzenwachstum wichtig ist – als herkömmliche organische Düngemittel bieten“, so Hessel. „Die mit Biodünger behandelten Flächen warfen genauso viel Ertrag ab wie die mit hochwertigen chemischen Düngemitteln behandelten.“
Überwachung zur Optimierung
Um die Technologie zu testen, baute das Team einen Photobioreaktor mit 3 000 l Kapazität an der Growponics-Anlage in Kfar Bialik in Israel auf. In der Anlage wurde genügend Düngemittel produziert, um eine Hydrokulturanlage mit etwa 800 Quadratmetern kontinuierlich zu versorgen. Im Projekt wurde auch ein Managementsystem entwickelt: AlgaeNite. Mit Sensoren und Kameras werden Daten über den Status des Bioreaktors erhoben. Diese Daten werden durch künstliche Intelligenz analysiert, die Ergebnisse dienen den Endnutzenden für fundierte Entscheidungen.
Vorboten der Landwirtschaft der dritten Generation
Seit dem Projektende im vergangenen Jahr hat Growponics eine Lösung vorgestellt, mit der alleinstehende Bioreaktoren bei Gewächshäusern zum Anbau von Pflanzenprotein aufgestellt werden können. Für diese Reaktoren müssen keine Fachkräfte eingestellt, zusätzliche Ausrüstung erworben oder Infrastruktur ausgebaut werden. Das AlgaeNite-System wird bereits an einige Gewächshausanlagen an verschiedenen Sandorten geliefert. „Wir haben auch eine Möglichkeit gefunden, Impfkulturstarter in ein Produkt zu verpacken, das den Nespresso-Kapseln ähnelt und direkt an Kunden versandt werden kann – ein völlig neues Konzept“, ergänzt Hessel. Nach Hessel könnte durch dieses Paradigmenwechsel Landwirtschaft der dritten Generation aufkommen: Die Mikroalgen enthalten über 50 % Protein, sind emissionsfrei und kostengünstig, der Wasserverbrauch ist halbiert und die Landnutzung im Vergleich zu anderen Methoden auf weniger als 10 % gesenkt. Das Team prüft derzeit praktische Möglichkeiten für Photobioreaktoren zur Erzeugung von Protein an Orten mit viel Sonnenlicht wie Wüsten. Gleichzeitig laufen drei Pilotversuche mit Hydrokulturen. Kommerzielle Installationen werden an Standorten von Growponics und in staatlich geförderten Betrieben in Connecticut und Florida in den Vereinigten Staaten eingesetzt, um zu testen, ob der Bedarf im Agrar- und Lebensmittelsektor für Bioprodukte gedeckt werden kann. Erste Ergebnisse werden Ende 2024 erwartet. Das Team plant auch den Aufbau einer kommerziellen Installation in voller Größe in Shaar Efraim, Israel, in der eine halbkommerzielle Produktionsanlage für organische Düngemittel und ein Forschungs- und Entwicklungscampus enthalten ist.
Schlüsselbegriffe
Cyanobakteria, Ammoniak, Stickstoff, Düngemittel, Landwirtschaft, organisch, Bio, Boden, Algen, Bioreaktoren, Emissionen, Bakterien