Das ältere Gehirn ist schuld
Schizophrenie senkt die Lebenserwartung der Betroffenen um 15 Jahre. Laut einer neuen, zum Teil durch das EU-finanzierte Projekt EarlyCause unterstützten Studie könnte dafür die beschleunigte Gehirnalterung mitverantwortlich sein. Die Forschungsergebnisse wurden im Journal „Molecular Psychiatry“ veröffentlicht. Schizophrenie geht mit einem höheren Risiko eines vorzeitigen Todes einher – teilweise durch Suizid oder schlechte körperliche Gesundheit. Bisherigen Studien zufolge könnten die hohe Krankheitsprävalenz, der langfristige kognitive Verfall sowie die vermehrten Todesfälle bei Menschen mit Schizophrenie auch dann auftreten, wenn das biologische Alter ihres Gehirns höher als ihr chronologisches Alter ist. In einigen wenigen Studien kleineren Umfangs wurde gezeigt, dass diese Diskrepanz, die als anhand des Gehirns vorhergesagter Altersunterschied (brain-predicted age difference, Brain-PAD) bezeichnet wird, bei von Schizophrenie betroffenen Menschen konsistent größer als bei gesunden Menschen ist. Laut den Studien wächst der Altersunterschied hauptsächlich in den ersten Jahren nach Krankheitsbeginn.
Studie in größerem Umfang
Es galt nun anhand großangelegter Studien zu untersuchen, ob diese Ergebnisse verallgemeinert werden können. Dazu betrachtete das Forschungsteam das Gehirnalter von mehr als 5 000 Menschen aus 26 internationalen Kohorten aus der Schizophrenie-Arbeitsgruppe des Konsortiums ENIGMA (Enhancing NeuroImaging Genetics through Meta-Analysis). In die Studie wurden Daten von 2 803 schizophrenen und 2 598 gesunden Menschen im Alter zwischen 18 und 73 Jahren einbezogen. „Das anhand des Gehirns vorhergesagte Alter wurde individuell geschätzt. Dazu wurde ein Modell verwendet, das mit unabhängigen Daten gespeist wurde, die auf 68 Messgrößen der kortikalen Dicke und Oberfläche, sieben subkortikalen Volumina, Lateralventrikelvolumina sowie dem intrakraniellen Gesamtvolumen beruhen und von T1-gewichteten Magnetresonanztomografie-Aufnahmen (MRT) des Gehirns abgeleitet wurden“, heißt es in der Studie. Es wurde festgestellt, dass Menschen mit Schizophrenie durchschnittlich einen größeren Brain-PAD als gesunde Kontrollpersonen aufweisen: Der Unterschied zwischen dem anhand des Gehirns vorhergesagten Alter und dem chronologischen Alter der Erkrankten ist etwa 3,5 Jahre größer. Das Team untersuchte zudem, ob ein größerer Brain-PAD bei schizophrenen Patientinnen und Patienten mit bestimmten klinischen Eigenschaften einhergeht: Alter bei Krankheitsbeginn, Dauer der Schizophrenie, Schwere der Symptome sowie Anwendung und Dosierung von Antipsychotika. Sie fanden keinen Zusammenhang zwischen Brain-PAD und diesen Eigenschaften. „Dies deutet darauf hin, dass ein größerer Brain-PAD bei Schizophrenie möglicherweise nicht hauptsächlich durch die Krankheitsprogression oder behandlungsassoziierte Effekte auf die Gehirnstruktur, die in anderen Veröffentlichungen beschrieben werden, vergrößert wird. Hier bestätigt sich die Feststellung früherer Studien, dass ein größerer Brain-PAD bereits bei erstepisodischen schizophrenen sowie erstepisodischen psychotischen Menschen auftritt“, so die Forschenden. Laut der Schlussfolgerung der Studie sind Längsschnittstudien erforderlich, die eine umfassendere klinische Charakterisierung ermöglichen, um herauszufinden, ob ein Prädiktor für das Gehirnalter wie Brain-PAD ein nützliches Instrument für frühe Präventions- und Interventionsstrategien für diese Erkrankung sein könnte. Die Studie erhielt zusätzlich zu den Finanzmitteln von EarlyCause (Causative mechanisms & integrative models linking early-life-stress to psycho-cardio-metabolic multi-morbidity) Unterstützung durch die EU in Form von Daten aus verschiedenen Kohortenstudien, die von anderen EU-finanzierten Projekten beigetragen wurden. EarlyCause endet im Dezember 2023. Weitere Informationen: EarlyCause-Projektwebsite
Schlüsselbegriffe
EarlyCause, Gehirn, Alter, Schizophrenie, anhand des Gehirns vorhergesagter Altersunterschied, brain-predicted age difference, Brain-PAD, Erkrankung