Von EU-Projekten zu Partnerschaften: Ein Weg zum digitalen Wandel des Gesundheitswesens
Das lange prophezeite goldene Zeitalter der elektronischen Gesundheitsdienste ist bisher noch nicht angebrochen bzw. für die meisten medizinischen Fachkräfte und Personen in ärztlicher Behandlung noch nicht greifbar geworden. Das Problem besteht jedoch weniger darin, dass keine Gesundheitsdaten verfügbar oder keine innovativen Lösungen vorhanden sind, um diese Daten zu speichern, zu verarbeiten und auszutauschen. Wenn überhaupt, dann liegen die Daten tatsächlich eher in zu vielen Formen vor und werden noch dazu in den einzelnen Mitgliedstaaten und sogar innerhalb der Mitgliedstaaten unterschiedlich verwaltet. Dieser Umstand kann zudem auch die Arbeit von Interessengruppen erschweren, da diese Tausende Innovationen durchsuchen müssen, um die für ihre Bedürfnisse am besten geeignete zu finden. Das Projekt DigitalHealthEurope (Support to a Digital Health and Care Innovation initiative in the context of Digital Single Market strategy) stellt hier einen einzigartigen Versuch dar, diese beiden Probleme zu lösen und gleichzeitig die EU dabei zu unterstützen, ihre Agenda für den digitalen Wandel des Gesundheitswesens voranzubringen. „Unser Hauptziel ist der Einsatz digitaler Lösungen für eine Gesundheits- und Sozialbetreuung, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht“, so Veli Stroetmann, Koordinatorin des Projekts und Forschungsleiterin in den Bereichen elektronische Gesundheitsdienste und Gesundheitspolitik bei der empirica Kommunikations- und Technologieforschung GmbH. „Ein weiteres Ziel besteht außerdem darin, Gemeinschaften mit mehreren Interessengruppen zu schaffen, die Ressourcen wie Weißbücher, Leitlinien und politische Empfehlungen entwickeln.“
Eine Geschichte von 25 Partnerschaften
Das erste Problem wird unter anderem mit Partnerschaften und Katalogen digitaler Innovationen angegangen. Solche Partnerschaften sind kleine, hochspezifische Projekte, die das Ziel verfolgen, Wissen von der Eigentümerin bzw. vom Eigentümer (Person der Urheberschaft) an einen oder mehrere Gesundheitsdienstleister (Anwender) zu übertragen. Stroetmann erklärt dazu: „Sie bauen auf dem umfassenden Fachwissen und der Erfahrung der Person der Urheberschaft auf. Dadurch verkürzen sie die Einführungszeit im Vergleich zur Einleitung eines explorativen Forschungs- und Entwicklungsprozesses, der nicht auf ausgereiften, erprobten und bewährten Initiativen basiert.“ Insgesamt wurden im Rahmen von DigitalHealthEurope 25 Partnerschaftsprojekte finanziert. Ein Beispiel dafür ist AppSaludable, das sich mit den Herausforderungen befasst, die sich aus einer stetig wachsenden Anzahl von Gesundheitsanwendungen ergeben, welche den Patientinnen und Patienten zur Verfügung gestellt werden. „Wir benötigen Regierungen und Gesundheitsbehörden, die sicherstellen, dass die Bürgerinnen und Bürger Anwendungen auswählen können, die sicher und gefahrlos sind und den Nutzenden einen Mehrwert bieten. In diesem Zusammenhang hat die Partnerschaft AppSaludable gemeinsame Anforderungen für die Gestaltung, Nutzung und Bewertung mobiler Gesundheits-Apps in Andalusien und Portugal erarbeitet.“ Ein zweites interessantes Beispiel ist REHAB-LAB-4ALL, das Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit bietet, an der Entwicklung von Alltagsgeräten mitzuwirken, die speziell für ihren Zustand konzipiert wurden. So hat das Centre Mutualiste de Rééducation et de Réadaptation Fonctionnelles de Kerpape (Frankreich), durch das diese Partnerschaft ins Leben gerufen wurde, ein neuartiges Fertigungslabor und ein Gesamtkonzept entwickelt, das es Gesundheitsdienstleistern ermöglicht, mit Betroffenen zusammenzuarbeiten, um 3D-gedruckte Hilfsgeräte herzustellen. Diesen partizipativen Ansatz teilt das Zentrum derzeit mit Anwendern aus Belgien, Dänemark, Italien, Rumänien, Spanien und der Schweiz. Was Kataloge betrifft, so hat das Projektteam zwei veröffentlicht. Der erste ist ein Katalog digitaler Lösungen, die für das Erreichen des digitalen Wandels im Gesundheitswesen entscheidend sind. Stroetmann und ihre Partner haben dafür über 1 000 Projekte aus verschiedenen Quellen überprüft und die 65 vielversprechendsten in einem durchsuchbaren Katalog zusammengestellt, der nach verschiedenen Auswahlkriterien gefiltert werden kann. Der zweite ist ein Katalog ausgereifter Telemedizinsysteme, die in ganz Europa eingesetzt werden können – ein Thema, das durch die COVID-19-Pandemie dringender denn je ist.
Fortschritte
DigitalHealthEurope bietet letztlich auch Leitlinien und Empfehlungen. Dank einer groß angelegten Umfrage zum besseren Verständnis der Kenntnisse, Einstellungen und Meinungen der europäischen Bürgerinnen und Bürger zu ihren Daten war es dem Projektteam möglich, Empfehlungen zu von der Bevölkerung geleiteten Regelungsmodellen für den Austausch von Gesundheitsdaten zu formulieren. Darüber hinaus entwarf das Team: ein Weißbuch über einen besseren Zugang und eine bessere Kontrolle der Bürgerinnen und Bürger zu ihren bzw. über ihre Daten; einen Fahrplan für die Stärkung der Handlungskompetenz von Patientinnen und Patienten; einen Leitfaden zur Skalierung digitaler Lösungen für die Interaktion zwischen der Bevölkerung und Gesundheitsdienstleistern; sowie ein Weißbuch zur besseren Nutzung von Dateninfrastrukturen. In knapp zwei Jahren ist es DigitalHealthEurope so gelungen, sich als Anlaufstelle für verschiedene Interessengruppen zu etablieren, die Informationen austauschen, Unterstützung erhalten und mehr über den digitalen Wandel des Gesundheitswesens in Europa erfahren möchten.
Schlüsselbegriffe
DigitalHealthEurope, Gesundheitswesen, Partnerschaften, digitaler Wandel, digitaler Wandel des Gesundheitswesens, AppSaludable, REHAB-LAB-4ALL