Elektronische Behördendienste intelligent und leicht gemacht
Die Digitalisierung öffentlicher Verwaltungen schreitet voran. Mit welchem Ziel? Umständliche Formulare hinter sich zu lassen und durch benutzerfreundliche Internetplattformen zu ersetzen. Damit elektronische Behördendienste jedoch erfolgreich sein können, müssen sie mehr bieten als eine bloße Umwandlung der Papierformulare in digitale Äquivalente. Und genau in diesem Bereich haben sich öffentliche Verwaltungen bislang schwergetan. „Die Idee dieser Onlinedienste besteht darin, sämtliche Komplexitäten vor den Nutzern zu verbergen. Das ist jedoch nicht möglich, wenn wir lediglich die traditionellen Vorgänge der öffentlichen Verwaltung nachbilden“, so Dr. Marco Pistore, leitender Forscher bei FBK-IRST. Das Projekt SIMPATICO (SIMplifying the interaction with Public Administration Through Information technology for Citizens and cOmpanies) entsprang der Einsicht, dass das Potenzial elektronischer Behördendienste an allen Orten, an denen sie zum Einsatz kommen, nicht vollständig ausgeschöpft wurde. Elektronische Dienste werden normalerweise lediglich aus der Perspektive der öffentlichen Verwaltungen entwickelt, was besonders für Nutzer mit beschränkten Computerkenntnissen, geringer Vertrautheit mit Verwaltungsverfahren und/oder beschränkter Kenntnis des rechtlichen und fachlichen Jargons problematisch ist. „Wir sind der Überzeugung, dass die Digitalisierung dieser Dienste eine Chance darstellt, Bürgern und Unternehmen einfachere und personalisiertere Interaktionsmechanismen zu bieten. Diese sollten nur so komplex sein, wie für den jeweiligen Nutzer und den Dienst, den er nutzen möchte, erforderlich“, erklärt Dr. Pistore.
Informationen in verständlicher Form
Das Projektteam hat eine neue Plattform entwickelt, die auf Sprachverarbeitung und maschinellem Lernen basiert. Statt komplexer und schlecht angepasster Benutzeroberflächen legt SIMPATICO nahe, den Interaktionsvorgang an die Eigenschaften eines jeden Nutzers anzupassen. Es vereinfacht Texte und Dokumente, ermöglicht Rückmeldungen und ermutigt alle Interessengruppen, ihr Wissen in das System einzubringen. Dr. Pistore bezeichnet dieses Konzept als „die Weisheit der Vielen“. „Wir sammeln Nutzereingaben auf zwei Arten: explizit – zum Beispiel über Fragen, die Menschen bei der Nutzung von Onlinediensten eingeben – und implizit. Im zweiten Fall sammeln wir Daten zur Nutzerinteraktion, um allgemeine Nutzungsmuster und spezifische Nutzerprofile zu bestimmen. Wir können die Elemente des Formulars ausmachen, die von Nutzern als komplexer oder missverständlich wahrgenommen werden, während wir gleichzeitig Informationen wie die Staatsangehörigkeit und Muttersprache der Nutzer erfassen. Dank dieser Informationen können wir die in das Formular eingebetteten Texte gemäß den linguistischen Fähigkeiten und Vorlieben eines gegebenen Bürgers vereinfachen“, erklärt Dr. Pistore. Das ist vielleicht einer der größten Erfolge des Projekts: eine Vereinfachung der Texte, wobei die Fähigkeiten des Nutzers berücksichtigt werden. Wenn Sie in der öffentlichen Verwaltung arbeiten, müssen Sie sich keine Sorgen über die Umstände machen, die mit dem Wechsel zu einer völlig anderen Plattform einhergehen. Dr. Pistore dazu: „SIMPATICO ist besonders attraktiv, weil wir auf bestehende Tools aufbauen. Es handelt sich um ein Overlay, das für jedes bestehende System den doppelten Vorteil hat, dass die Schwierigkeiten der Individualisierung reduziert werden und die Prozesse hinter den Kulissen unberührt bleiben.“ Zu der umfangreichen Liste der Systemfunktionen zählen das automatische Zusammenstellen von Feldern, dynamische Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Textvereinfachung, die Onlinebeantwortung von Fragen und weitere Verfahren, die sich an die jeweiligen Eigenschaften und Fähigkeiten der Nutzer anpassen. Drei Pilotprojekte, die an Bürger und Beamte gerichtet waren, wurden erfolgreich in der Stadt Trento (Italien), in der Region Galicien (Spanien) und in der Stadt Sheffield (Vereinigtes Königreich) durchgeführt. In allen Fällen waren die Nutzer aktiv beteiligt. SIMPATICO ist auf alle von öffentlichen Verwaltungen angebotenen Onlinedienste anwendbar, von der Anmeldung von Kindern für den Kindergarten bis hin zu Diensten für bedürftige Gruppen (Ausländer, Senioren, Bürger mit Behinderung usw.). Die Gemeinde Trento hat bereits entschieden, das System für alle ihre Onlinedienste zu übernehmen, und andere Städte haben bereits Interesse angemeldet.
Schlüsselbegriffe
SIMPATICO, elektronische Behördendienste, öffentliche Verwaltung, Digitalisierung