Studie vermutet Zusammenhang zwischen Acrylamid in Lebensmitteln und Brustkrebs
Die Ergebnisse einer EU-finanzierten Untersuchung, die im "International Journal of Cancer" veröffentlicht wurden, deuten darauf hin, dass Acrylamid in Lebensmitteln mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko in Zusammenhang steht. Bei Acrylamid handelt es sich um ein kleines Molekül, das in manchen verarbeiteten Lebensmitteln vorkommt. "Tierversuche ergaben, dass Acrylamid krebserregend ist, doch bislang liegt kein wissenschaftlicher Beweis für einen Zusammenhang zwischen acrylamidhaltigen Nahrungsmitteln und Krebs beim Menschen vor", so Henrik Frandsen vom Nationalen Lebensmittelinstitut (Fødevareinstituttet) der Technischen Universität Dänemark. "Es handelt sich hierbei um die erste epidemiologische Studie, die zur Messung der Acrylamidaufnahme auf biologische Marker zurückgreift, und die erste, die meldet, dass Acrylamid tatsächlich einen Einfluss auf die Entstehung von Brustkrebs hat." Bei vorhergehenden Studien wurden den Probanden Fragebögen zu ihrem Essverhalten vorgelegt, aus dem Rückschlüsse auf ihre Acrylamidaufnahme gezogen wurden. Um eine genauere Vorstellung davon zu erhalten, wie viel Acrylamid die Studienteilnehmer wirklich zu sich nahmen, maßen die dänischen Forscher das Acrylamid, das an das Hämoglobin in den roten Blutkörperchen gebunden war. Insgesamt analysierten sie den Acrylamidgehalt im Blut von 374 Frauen nach den Wechseljahren, die an Brustkrebs erkrankt waren, und 374 gesunden Frauen. Nach Herausrechnung des Einflusses von Tabakkonsum legten die Ergebnisse nahe, dass Probanden, bei denen mehr Acrylamid an das Hämoglobin gebunden war, ein erhöhtes Brustkrebsrisiko hatten. Acrylamid wirkte sich insbesondere auf das Risiko aus, an östrogenrezeptorpositivem Brustkrebs zu erkranken. Die Forscher betonen, die von ihnen durchgeführte Studie stelle keinen Beweis dar, dass tatsächlich eine Verbindung zwischen Acrylamid in Nahrungsmitteln und Krebs besteht. "Denkbar ist etwa, dass der Anstieg des Brustkrebsrisikos von anderen chemischen Substanzen herrührt, die ebenso wie Acrylamid bei der Erhitzung von Nahrungsmitteln entstehen. Außerdem könnte das Acrylamid teilweise aus anderen Quellen als Lebensmitteln stammen, erklärt der federführende Wissenschaftler Pelle Thonning Olesen vom Nationalen Lebensmittelinstitut (Fødevareinstituttet) der Technischen Universität Dänemark. "Bevor endgültige Schlussfolgerungen über die Bedeutung von Acrylamid für die Entstehung von Krebs im Allgemeinen gezogen werden können, ist eine eingehende Erforschung der eventuellen negativen Auswirkungen dieser Substanz notwendig", fügt Anne Tjønneland vom dänischen Krebsforschungszentrum Danish Cancer Society hinzu. "Gleichzeitig verdeutlichen unsere Studien, wie wichtig es ist, die Forschungsarbeiten und die Initiativen zur Reduzierung des Acrylamidgehalts in Nahrungsmitteln fortzusetzen." Acrylamid wird seit langem bei der Herstellung von Plastik, Klebstoffen, Papier und Kosmetika sowie beim Bau von Dämmen und Tunnels verwendet. Erst 2002 fanden schwedische Forscher heraus, dass verarbeitete Lebensmittel wie Kartoffelchips und Pommes Frites große Mengen dieser Substanz enthalten. Wissenschaftler anderer Länder entdeckten die schädliche Substanz bald darauf auch in anderen gekochten und industriell verarbeiteten Nahrungsmitteln und schlugen Alarm. Seitdem hat die Forschung gezeigt, dass Acrylamid bei der Erhitzung von kohlenhydratreichen Nahrungsmitteln entsteht, etwa beim Toasten von Brot, Rösten von Kaffee und Anbraten von Kartoffeln. Acrylamid bildet sich, wenn die Aminosäure Asparagin bei hohen Temperaturen mit bestimmten Zuckerarten wie Glukose und Fruktose reagiert. Das bezeichnet man als Maillard-Reaktion. Allerdings sorgt genau diese Reaktion für den besonderen Geschmack und die Konsistenz dieser Gerichte sowie ihre appetitliche Bräunung. Die Herausforderung, der sich die Forschung nun gegenübersieht, besteht folglich darin, Verfahren zur Verarbeitung und Erhitzung von Lebensmitteln zu entwickeln, die Gerichten denselben Geschmack und dieselbe Färbung verleihen wie die Maillard-Reaktion, dabei aber weniger Acrylamid erzeugen. Die dänische Studie wurde mit EU-Mitteln aus dem HEATOX-Projekt bezuschusst, in dessen Rahmen maßgebliche Fragen zu Acrylamid, etwa die nach seiner Entstehung und seinen Auswirkungen auf den menschlichen Körper, beantwortet werden sollen. Neben den epidemiologischen Studien untersuchten die Projektpartner die Maillard-Reaktion im Einzelnen und sprachen Empfehlungen aus, wie sich die Menge an Acrylamid, die sich beim Kochen bildet, möglichst gering halten lässt. Auch andere, vergleichbare Moleküle wurden untersucht. "[Acrylamid] ist nur die Spitze des Eisbergs", erklärt die Projektleiterin von HEATOX, Professor Kerstin Skog von der Universität Lund, die an der dänischen Studie nicht mitwirkte. "Es existieren 40 bis 50 weitere Stoffe, die auf dieselbe Art und Weise entstehen." Die Projektpartner haben eine Datenbank mit diesen Stoffen angelegt, die als Ausgangspunkt für weiterführende Studien dienen soll. Außerdem gab Professor Skog ein paar Tipps, wie man bei der Zubereitung von Mahlzeiten zuhause den Acrylamidgehalt von Gerichten möglicht niedrig halten kann. "Wichtig ist vor allem, dass man Nahrungsmittel nicht zu lange brät,", so Professor Skog im Interview mit CORDIS-Nachrichten, "denn das meiste Acrylamid entsteht in den letzten paar Minuten des Bratens." In anderen Worten, Brot, das im Toaster schwarz geworden ist, gehört in den Mülleimer. Ideal ist eine goldbraune Färbung. Auf die Frage, ob ihre Teilnahme an einem Forschungsprojekt zu Acrylamid ihre eigenen Ess- und Kochgewohnheiten verändert habe, antwortet Professor Skog: "Gewissermaßen schon. Ich achte zum Beispiel darauf, dass Bratkartoffeln in der Pfanne nicht zu dunkel werden. Allerdings trinke ich nach wie vor sehr viel Kaffee."