Studie zum Leben unter kommunistischer Diktatur und deren kulturelles Erbe
„Hauptziel des Projekts CHODIA war es, die Verarbeitung der jüngsten Vergangenheit und Auswirkungen kommunistischer Diktaturen auf die heutige Zeit genauer zu erforschen“, erklärt Projektleiter Dr. Francesco Iacono. Als „Heritagisierung“ wird der Prozess bezeichnet, durch den Objekte, Orte oder Verhaltensweisen zu kulturellem Erbe werden. Im Verlauf dieses Prozesses erfolgt die Wiederaneignung von kulturellem Erbe aus jüngerer Vergangenheit, einhergehend mit Veränderungen der Wahrnehmung und Einstellung dazu. Schwerpunkt des über das Marie-Curie-Programm finanzierten Projekts war Albanien, das von 1945 bis 1991 unter strenger stalinistischer Herrschaft stand. Wie Dr. Iacono anmerkt, wird das materielle und immaterielle Erbe dieses Regimes noch immer ambivalent wahrgenommen und mitunter auch verdrängt. „Wir wollten nun anhand direkter Fragen und Beobachtungen herausfinden, wie die Albaner zu diesem Erbe stehen und welche komplexen Zusammenhänge hier eine Rolle spielen“, fügt er hinzu. Kombinierte Methodenforschung Mit sowohl qualitativen/ethnographischen als auch quantitativen Methoden befragte Dr. Iacono Menschen aus verschiedensten gesellschaftlichen Schichten sowie Experten für kulturelles Erbe, um „Ansätze zu finden, die aussagefähige Schlüsse über die Einstellung zu diesem Thema im Land zulassen“. Die Erfassung quantitativer Daten erfolgte mittels neuer Techniken über Mobiltelefone und eine Cloud-synchronisierte Audiodatenbank, mit der die Antworten in der Landessprache aufgezeichnet und dann transkribiert und analysiert werden konnten. Die Ergebnisse von CHODIA belegen die unterschiedliche Wahrnehmung aller Schichten der albanischen Gesellschaft hinsichtlich dieses Erbes und enthüllen auch mögliche Ursachen für die Variabilität. Außerdem zeigte das Projekt die Unterschiede im Umgang mit solch einem Erbe auf. Zwei unterschiedliche Darstellungsweisen Was CHODIA so besonders macht, ist die „Frage nach einem etwaigen „inakzeptablen Erbe“, und dass zwei unterschiedliche Arten der Darstellung und Erinnerung des Erbes kommunistischer Diktaturen existieren.“ Das heißt, die Perspektive von Akteuren und Vertretern staatlicher Institutionen weicht durchaus von den persönlichen Erinnerungen der Menschen nach dem Fall des kommunistischen Regimes ab. Ergebnis solch unterschiedlicher Erinnerungen sind widersprüchliche und sogar sich gegenseitig ausschließende Narrative. Wie Dr. Iacono erklärt, war und (ist dies auch heute noch) ein mobilisierender Faktor in der politischen Landschaft vieler postsozialistischer Länder. Über den albanischen Kontext hinaus Obwohl die Ergebnisse von CHODIA nur für Albanien direkt relevant sind, sind sie in vielen Aspekten vergleichbar mit anderen Ländern unter kommunistischer Diktatur. Demzufolge könnte die Studie den Auftakt geben, um wichtige Analogien zu finden und damit insbesondere für Europa von erheblicher Bedeutung sein. „Mit den Projektergebnissen lässt sich eine umfassendere und ausgewogenere Darstellung der Vergangenheit unter kommunistischem Regime erzeugen, die unterschiedliche Perspektiven einbezieht und damit den Blick künftiger EU-Bürger auf ihre Vergangenheit schärft.“ Verbreitungsaktivitäten waren u. a. die wissenschaftliche Berichterstattung wie auch Öffentlichkeitsarbeit im Vereinigten Königreich und in Albanien selbst. Dr. Iacono präsentierte die Projektforschungen in sozialen Netzwerken und im Blog zum Projekt. Im letzten Jahr organisierte CHODIA einen Workshop sowie die internationale Konferenz „Heritage and Dictatorship“ mit mehr als 70 Teilnehmern aus aller Welt. Die Konferenz lieferte einen umfassenden Überblick über Zusammenhänge zwischen Erbe und Autoritarismus und im weiteren Sinne auch Herrschaftsgewalt.
Schlüsselbegriffe
CHODIA, Albanien, kommunistische Diktatur, kulturelles Erbe, kommunistisches Regime, Heritagisierung, inakzeptables Erbe, unterschiedlich Erinnerung