Wie Reis- und Hirseanbau das frühgeschichtliche Japan beeinflussten
Wie viele Zivilisationen war auch Japan nicht immer eine landwirtschaftlich geprägte Gesellschaft. Tatsächlich waren die japanischen Inseln vor 16 000 Jahren von einer vielschichtigen Bevölkerung aus jagenden und sammelnden Menschen bewohnt. Dies begann sich jedoch zu ändern, als vor 3 000 Jahren Menschen von der koreanischen Halbinsel einwanderten und neue Kulturen und Normen mitbrachten. „Die Geschichte ist voll von Beispielen dafür, wie großräumige Wanderbewegungen die Übertragung neuer Ideen über Traditionen hinweg förderten, was oft zu entscheidenden Veränderungen in der Gesellschaft und Kultur der etablierten Gruppen führte“, sagt Enrico Crema, Forscher an der Universität Cambridge. Dieser Wandel vollziehe sich jedoch, wie Crema hervorhebt, langsam. Im frühgeschichtlichen Japan deuten die archäologischen Funde auf regionale Unterschiede in der Reaktion der einheimischen Gruppen auf die Zugewanderten und das von ihnen mitgebrachte kulturelle „Gepäck“ hin. „Diese unterschiedlichen Reaktionen auf lokaler Ebene spiegeln sich in der ungleichmäßigen Ausbreitungsrate des Reisanbaus wider, wobei die Funde von Verzögerungen und vorübergehenden Übernahmen gekennzeichnete Zeitabschnitte nachweisen“, fügt Crema hinzu. „Darauf folgte die Rückkehr zu früheren Subsistenzstrategien oder in einigen Fällen die fast vollständige Abkehr von dieser Praxis über einen längeren Zeitraum hinweg.“ Mit Unterstützung des EU-finanzierten Projekts ENCOUNTER arbeitet Crema daran, zu verstehen, warum die Einführung von Reis in die japanische Gesellschaft auf derart vielfältige Weise erfolgte.
Japans Reichtum an archäologischen Funden nutzen
Die Projektarbeit profitierte von der Tatsache, dass in Japan mit großer Sorgfalt reichhaltige archäologische Zeugnisse zusammengetragen wurden. „Während es in der wissenschaftlichen Archäologie oft darum geht, die neuesten Daten zu finden, verfolgten wir das Ziel, zu demonstrieren, wie aus dem, was es bereits gibt, wichtige Erkenntnisse zu gewinnen sind“, erklärt Crema. Zu diesem Zweck entwickelten die Forschenden neue quantitative Verfahren, anhand derer sie das Wann, Wo und Wie der Verzögerungen bei der Verbreitung des Reisanbaus bestimmen konnten. Mithilfe dieser Verfahren konnte im Rahmen des Projekts genau ermittelt werden, wo es zu großen Bevölkerungsexplosionen und wo es zu vernachlässigbaren Veränderungen der Bevölkerungsdichte kam.
Der Zusammenhang zwischen Reisanbau und Bevölkerungswachstum
Während die Einführung des Landbaus meist mit einem allgemeinen Anstieg der Fruchtbarkeit und damit der Bevölkerungszahlen einhergeht, war dies im prähistorischen Japan nicht unbedingt immer der Fall. „Unsere Analysen der demografischen Auswirkungen des Reisanbaus in Japan deuten auf tiefgreifende regionale Unterschiede hin, selbst dann, wenn wir die unterschiedlichen Ankunftszeiten berücksichtigen“, merkt Crema an. „In einigen Gebieten ist ein massives Wachstum zu verzeichnen, während sich in anderen nach der Einführung der neuen Wirtschaft praktisch keine Veränderungen ergaben.“ Laut Crema sind weitere Forschungsbemühungen erforderlich, um die Ursachen und Folgen des unterschiedlichen Tempos und der Art der Verbreitung des Reisanbaus im frühgeschichtlichen Japan zu entschlüsseln.
Ein Erbe für die offene Wissenschaft
Die Verfahren und Methoden des Projekts ENCOUNTER werden nicht nur der projektinternen Forschung, sondern auch anderen Forschungsinitiativen zugutekommen. „Seit Beginn unseres Projekts haben wir uns stark für offene Wissenschaft eingesetzt, wobei wir große Anstrengungen unternommen haben, um sicherzustellen, dass all unsere Forschungsarbeiten vollständig reproduzierbar sind“, schließt Crema. Im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat finanzierten Projekts wurden außerdem zwei innovative Softwareanwendungen zur Synthese von Altdaten entwickelt, die bereits beide von anderen Forschenden genutzt werden.
Schlüsselbegriffe
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