Eine Modellbibliothek des Fahrverhaltens
Bevor autonome Fahrzeuge die Straßen erobern können, müssen sie erst beweisen, dass sie ebenso sicher wie Menschen am Steuer agieren. „Die sichere und effiziente Koexistenz von automatisierten und menschengesteuerten Fahrzeugen stellt eine tiefgreifende, interdisziplinäre Herausforderung für die Verkehrswissenschaft dar“, sagt Maria Rodrigues, verantwortliche Projektleiterin für Verkehr und Mobilität bei Panteia. Um diese Herausforderung zu meistern, stützen sich die Verkehrswissenschaften bei der Durchführung von Tests stark auf virtuelle Simulationen. Damit diese Simulationen funktionieren, müssen sie jedoch auf zuverlässigen Modellen des menschlichen Fahrverhaltens beruhen. Hier setzt die Arbeit des EU-finanzierten Projekts i4Driving an. „Unser Ziel besteht darin, eine neue Modellbibliothek des menschlichen Fahrverhaltens zu entwickeln, die als menschlicher Ausgangspunkt für die Verkehrssicherheit dienen wird, mit der automatisierte Fahrsysteme und Funktionen verglichen und bewertet werden können“, erklärt Vincenzo Punzo, wissenschaftlicher Koordinator von i4Driving und Professor an der Universität Neapel Federico II in Italien.
Kritische Situationen bewerten
Für das Team des Projekts i4Driving bedeutet eine neue Bibliothek nicht unbedingt neue Modelle. Vielmehr geht es darum, eine Kombination aus neuen und vorhandenen Modellen zu entwickeln, die zur Bewertung automatisierter Fahrsysteme in szenario- und verkehrsbezogenen Sicherheitssimulationen herangezogen werden können. Punzo zufolge wird mit Kombinationen dieser Art sichergestellt, dass virtuelle Simulationen die Komplexität des Fahrverhaltens in realistischen Straßenverkehrssystemen genau wiedergeben. „Einerseits können unsere Modelle mithilfe der Berücksichtigung der Heterogenität von Fahrenden und Fahrverhalten sowohl die unkritischen als auch die sicherheitskritischen Situationen im täglichen Verkehr nachbilden“, fügt er hinzu. „Andererseits ist eine ‚richtige‘ Systemkomplexität erforderlich, um eine robuste und aussagekräftige Analyse der Straßenverkehrssicherheit durchzuführen.“ Obwohl das Projekt noch nicht abgeschlossen ist, wurden bereits einige wichtige Ergebnisse erzielt. Auf der Grundlage der Modelle wurden bahnbrechende Experimente mit vier Fahrsimulationen durchgeführt. Der Versuchsplan kombiniert Merkmale der fahrenden Person und der Umgebung, zum Beispiel Alter, Geschlecht, Fahrpraxis oder Lichtverhältnisse. Es werden außerdem verschiedene Definitionen des Einsatzbereiches, städtisch und außerstädtisch, an verschiedenen Orten in Europa angewandt. „Im Gegensatz zu traditionellen Fahrsimulatorexperimenten, bei denen spezifische Szenarien untersucht werden, setzen die i4Driving-Experimente die fahrende Person komplexen Abläufen auf der Straße und im Verkehr aus, die denen in lebensnahen Fahrstudien ähneln“, erklärt Punzo. „So können wir sowohl die Heterogenität der Fahrenden als auch das Fahrverhalten unter realistischen Verkehrsbedingungen charakterisieren.“
Sicherer, nachhaltigerer Verkehr
Sobald die Projektarbeit abgeschlossen ist, werden diese Modelle sofort als menschlicher Ausgangspunkt zur Definition des erforderlichen Sicherheitsniveaus automatisierter Fahrsysteme dienen können. Im Endeffekt werden dieselben Modelle die Automobilindustrie, ihre Forschungspartner, Zertifizierungsstellen und Verbrauchertestorganisationen dabei unterstützen, das Verhalten anderer, von Menschen gesteuerter Fahrzeuge im Mischverkehr auf realistische Weise zu simulieren. „Die i4Driving-Modelle werden als Referenz für die Entwicklung eines menschenähnlichen und daher leicht vorhersehbaren und akzeptablen Verhaltens von automatisierten Fahrzeugen im gemischten Verkehr dienen und somit eine sichere und vertrauenswürdige Interaktion mit konventionellen Fahrzeugen ermöglichen“, schließt Rodrigues ihre Ausführungen. „Unter dem Strich wird das Ergebnis ein sichereres und nachhaltigeres Verkehrssystem sowie eine bessere Ausnutzung der Straßeninfrastrukturkapazität sein.“
Schlüsselbegriffe
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