Wie sich kosmische Quallen und sonstige Galaxien entwickeln
Eine fünfjährige Untersuchung von Galaxien in verschiedenen Teilen des Universums hat Aufschluss darüber gegeben, wie die galaktische Umgebung Gasprozesse beeinflusst, durch die Galaxien neue Sterne bilden und an Masse zunehmen können. „Gas ist ein fundamentaler Bestandteil von Galaxien: Es treibt alles an. Die Menge des Gases in der Galaxie entscheidet über die Sternentstehung, die Entwicklung der Eigenschaften und der Masse der Galaxie“, kommentiert Projektkoordinatorin Bianca Maria Poggianti, Direktorin des Astronomischen Observatoriums des Nationalen Instituts für Astrophysik in Padua. Das Projekt GASP, das vom Europäischen Forschungsrat finanziert wurde, nutzte riesige Datenmengen der modernsten Instrumente der Welt, um die sich entwickelnden Eigenschaften von Galaxien zu analysieren. Dazu zählt MUSE (Multi Unit Spectroscopic Explorer), das am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile installiert ist. Das Team setzte daraufhin modernste hydrodynamische Simulationen ein, um die Beobachtungsergebnisse zu interpretieren. „Wir haben Galaxien an verschiedenen Orten des Universums erforscht, weil die Gasprozesse davon abhängen, wo sich die Galaxie befindet“, sagt Poggianti und fügt hinzu, dass 114 Galaxien beobachtet und analysiert wurden. „Das sind viel mehr als die Handvoll, die bisher mit diesem Verfahren in diesem Forschungsbereich untersucht wurden, es war also ein großer Fortschritt.“ Weitere Daten stammen vom Hubble-Weltraumteleskop bei ultravioletten Wellenlängen und vom südafrikanischen MeerKAT, mit dem das neutrale Wasserstoffgas aufgespürt wird. Eine weitere Datenquelle war das Atacama Large Millimeter Array (ALMA) in Chile, das elektromagnetische Strahlung im Millimeterbereich und bei kleineren Wellenlängen zum Nachweis von Molekülgas beobachtet. „Es ist uns gelungen, viele Wellenlängen für viele Galaxien abzudecken, um ein vollständigeres Bild zu erhalten“, so Poggianti. Sie erklärt, dass galaktische Gase neutral, ionisiert oder molekular sein können und somit unterschiedliche Phasen, Temperaturen oder Dichten aufweisen können. „Es gilt, die verschiedenen Gasphasen zu verstehen, um den Kreislauf zwischen Gas und Sternen zu begreifen“, sagt sie.
Wie Haufengalaxien Gas verlieren
Belebte Regionen des Universums, wie z. B. Galaxienhaufen, zeigen einen Prozess, der als „Ram Pressure Stripping“ bezeichnet wird und durch die Wechselwirkung von heißem Gas, das den Raum zwischen den Galaxien ausfüllt, und dem Gas in den Scheiben der Galaxien verursacht wird. Diese Galaxien verlieren ihr Gas, das in lange Schweife gepresst wird, weil das heiße, dichte Gas wie ein starker Wind wirkt. Die spektakulärsten von ihnen sind „Quallengalaxien“ mit langen Tentakeln, die sich über Zehntausende Lichtjahre über ihre Scheiben hinaus erstrecken. „Wenn das Gas aus der Galaxie entfernt wird, können sich im Schweif neue Sternhaufen bilden, die eine wunderschöne Qualle darstellen“, bemerkt Poggianti. „Quallengalaxien sind ein Schlüssel zum Verständnis der Galaxienentwicklung in Galaxienhaufen, da sie Galaxien sind, die sich inmitten einer dramatischen Transformation befinden.“ „Wir haben die sternbildenden Klumpen in den Schweifen sehr detailliert untersucht“, sagt Poggianti. „Es kann eine Million oder sogar 10 Millionen Sterne in jedem Klumpen geben, also ist es wie eine kleine Galaxie, die sich im Schweif dieser größeren Galaxie bildet.“
Die Zahl der aktiven Kerne ist überraschend
Jede Galaxie hat in ihrem Zentrum ein Schwarzes Loch, das in den meisten Fällen „schläft“ und nur wenig Energie produziert. Es stellte sich allerdings heraus, dass eine unerwartet große Anzahl von Galaxien, bei denen Gas abgestreift wurde, einen aktiven galaktischen Kern aufweisen. Während der Phase des aktiven galaktischen Kerns akkretiert das zentrale Schwarze Loch der Galaxie Material und erzeugt eine Menge Energie, die in verschiedenen Wellenlängen beobachtet werden kann. „Sie befinden sich in einem Moment in der Geschichte der Galaxien, in dem das zentrale Schwarze Loch aktiv ist. Es frisst das umgebende Gas“, fügt Poggianti hinzu. Das Team entdeckte, dass das abgezogene Gas eine Veränderung der Galaxienstruktur verursachen kann. Einige Spiralgalaxien öffnen zum Beispiel ihre „Arme“, die sogenannten geöffneten Arme. Später können sie sich von Spiralen zu linsenförmigen Galaxien weiterentwickeln. Diese verfügen über eine Scheibe, aber keine Spiralarme. „Hier wird der Zusammenhang zwischen den Prozessen, die das Gas beeinflussen, und der Form der Galaxie deutlich“, fügt sie hinzu.
Schlüsselbegriffe
GASP, Galaxie, Quallengalaxien, MUSE, Teleskop, Europäische Südsternwarte, Hubble-Weltraumteleskop, Large Millimeter Array, MeerKAT-Array, Ram Pressure Stripping, Schwarzes Loch, aktiver galaktischer Kern, Spiralgalaxien, linsenförmige Galaxien