Risiko endokrine Disruption: chemische Gefahren besser prüfen
Endokrine Disruptoren sind bedenkliche Chemikalien, da sie sich auf Menschen und Tiere auf eine Weise auswirken, dass sie die Verbindungen zwischen Hormonen und ihren Rezeptoren blockieren. Eine Über- oder Unterproduktion eines Hormons kann die Folge sein. Endokrine Disruptoren können auch Hormone imitieren, was zu unangemessenen Reaktionen des Körpers führt. Gegenwärtig werden endokrine Disruptoren in Bezug auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt getrennt nachgewiesen, wobei es verschiedene Ansätze für Prüfungen auf diese Stoffe in Abhängigkeit von der jeweiligen Gesetzgebung gibt. Chemikalien zum Schutz von Pflanzen, Biozide und Industriechemikalien unterliegen der Kontrolle durch verschiedene Gremien, etwa der EU und ihrer Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH). In einigen Fällen kann eine Chemikalie in zwei Verwendungskategorien fallen und somit von zwei verschiedenen Einrichtungen analysiert werden. In Hinsicht auf die menschliche Gesundheit stützen sich die Prüfsysteme meist auf Nagetiermodelle, während im Zusammenhang mit der Umwelt üblicherweise Fische und Amphibien zum Einsatz kommen. „Aufgrund der eindeutigen Ähnlichkeiten zwischen den endokrinen Systemen von Menschen und anderen Wirbeltieren könnte die Zahl der Tierversuche verringert und die Wirksamkeit der Bewertung chemischer Gefahren verbessert werden, wenn es möglich wäre, die Daten aus Gesundheits- und Umweltprüfungen zu kombinieren“, erklärt Henrik Holbech, außerordentlicher Professor und Forschungsgruppenleiter für Umwelttoxikologie am Fachbereich Biologie der Süddänischen Universität. Mit Unterstützung der EU koordinierte Holbech das Projekt ERGO, in dessen Verlauf das Schilddrüsenhormonsystem als „Konzeptnachweis“ diente, um den Nutzen der Datenzusammenführung aufzuzeigen. „Wir wollten die Mauer zwischen den verschiedenen Forschungsbereichen niederreißen, um eine genormte Art der Datennutzung zu entwickeln und die vorhandenen Prüfungsleitlinien zum Nutzen der Umwelt und der Gesundheit der Menschen zu verbessern“, fügt er hinzu.
Entwicklung neuer Tests zur Anwendung auf Fische, Amphibien und Menschen
Zunächst musste das Team zu einem detaillierten Verständnis der Mechanismen gelangen, die der Beeinflussung des Schilddrüsenhormonsystems durch Chemikalien zugrunde liegen, um die Ergebnisse über verschiedene Wirbeltierklassen hinweg vergleichen zu können. Daher erprobte das Team Chemikalien, von denen bekannt ist, dass sie sich auf das Schilddrüsenhormonsystem auswirken, die als „Modellchemikalien“ bezeichnet wurden. Holbech dazu: „Diese Modellchemikalien wurden anhand vieler verschiedener Methoden und Versuchen geprüft, darunter zellbasierte Assays (in vitro), an Embryonen von Zebrafischen und afrikanischen Krallenfröschen sowie an jungen Mäusen.“ Um Humanprofile zu erhalten, wurde im Rahmen des Projekts auch das Vorhandensein der Chemikalien bei Müttern und ihren Kindern analysiert. Der Prozess gestaltete sich alles andere als einfach. Einige der Tests waren nicht zum Prüfen auf Disruptoren des Schilddrüsenhormonsystems konzipiert worden. „Wir mussten diese Herausforderung meistern und eine neue Reihe von Tests und Markern für Fische und Amphibien entwickeln, die auch die Auswirkungen beim Menschen vorhersagen könnten“, erklärt Holbech. Dies ist gelungen, und die wichtigsten Ergebnisse werden an die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung weitergegeben, die gegenwärtig eine globale Normung für Prüfungsrichtlinien zur Bewertung der Gefährlichkeit von Chemikalien erarbeitet.
Fünfzehn Laboratorien von drei Kontinenten erstellen neue Leitlinien
Das Team von ERGO entwickelte neue In-vitro-Assays und ermittelte neuartige chemische Wirkungen, um auf diesem Wege die Auswirkungen einer Substanz auf Menschen, Fische und Amphibien zu bewerten. Die Methoden sind jedoch nutzlos, wenn es kein Mittel gibt, die gesammelten Daten weiterführend anzuwenden. Daher wurden projektintern außerdem Netzwerke mit der Bezeichnung „Adverse Outcome Pathways“ entwickelt, um die Nutzung von Daten über Fische und Amphibien im Sinne der Humangesundheit und umgekehrt zu ermöglichen. Als eine der letzten Aufgaben veröffentlichte das Team einen Leitfaden zum Thema der Extrapolation von Wirkungen zwischen Wirbeltierklassen. Die ERGO-Strategie werden auch den die einschlägige Gesetzgebung kontrollierenden Interessengruppen, z. B. der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und der Europäischen Agentur für chemische Stoffe vorgestellt, um die Wirkung der ERGO-Ergebnisse und des ERGO-Konzepts zu maximieren. Holbech blickt mit Stolz auf das Projekt zurück: „Die Zusammenarbeit zwischen den fünfzehn Partnern war wirklich ermutigend, und wir haben wichtige Ergebnisse erzielt, die den Schutz von Mensch und Tier vor endokrinen Disruptoren verbessern werden.“
Schlüsselbegriffe
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