Genetische Anpassung an zuckerhaltige Nahrung bei Flughunden als Basis neuer Diabetestherapien
Diabetes ist ein enormes medizinisches Problem und nimmt seit einigen Jahren bei Mensch und Tier zu. Neben schlechter Ernährung und Fettleibigkeit spielen hier vor allem genetische Faktoren eine Rolle, die nun die Basis für eine grundlegend neue Behandlungsmethode sein könnten. Das bisherige Wissen über die Genetik des Zuckerstoffwechsels basiert jedoch auf Labordaten von Menschen und Mäusen. Das Projekt CHIROGLU suchte nach Hinweisen im Genom von Tierarten, die Anpassungsmechanismen entwickelt haben, um zuckerreiche Nahrung ohne Schaden konsumieren zu können, und wollen damit Wissenslücken auf molekularer Ebene schließen. Zu dieser Gruppen gehören u. a. die Flughunde der Familie Pteropodidae. Ein einzigartiges Merkmal dieser Säugetiere ist, dass ihre Evolution unabhängig voneinander mehrmals so stattfand, dass sie von Nektar leben können. CHIROGLU sollte nun spezifische Gene für diese Anpassungen finden und untersuchte etwa 1 500 Gene, die am Glukose- und Kohlenhydratstoffwechsel dieser frugivoren Fledertiere beteiligt sind. „Zunächst sollte das Projekt die genaue Zahl unabhängiger Ursprünge dieser Frugivorie innerhalb der Familie der Flughunde ermitteln“, sagt Nicolas Nesi von der Queen Mary University of London und Forschungsleiter von CHIROGLU. Bislang ist die Datenlage hierzu u. a. wegen der Seltenheit vieler Flughundearten dürftig. Einige Arten sind nur in abgelegenen und damit schwer zugänglichen tropischen Regionen zu finden.
Suche nach entsprechenden Genen
Um die logistischen Hürden zu nehmen, trug Nesi Proben aus weltweiten Museumssammlungen zusammen. Insgesamt erhielt die Forschergruppe Proben von rund 135 der rund 200 bekannten Arten und allen nektarfressenden Gattungen dieser Flughundfamilien. „Museumssammlungen, zu denen häufig auch Exemplare aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts gehören, können nun mit modernsten genetischen Methoden untersucht werden“, erklärt Nesi, der im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen der EU gefördert wurde. Auf diese Weise werden keine neuen Proben von bedrohten Arten in freier Wildbahn benötigt. Nachdem alle Proben zusammengetragen waren, wurden mit modernsten Analysemethoden die evolutionären Beziehungen innerhalb der Familie untersucht, um die Ursprünge der Frugivorie zu enthüllen. Nesi suchte nach spezifischen proteinkodierenden Genen, die am Glukosestoffwechsel beteiligt sind und bei nektarfressenden Arten positiv selektiert werden. „Diese Gene unterlagen der natürlichen Selektion. Das Resultat bei diesen Flughunden war ein anderes, möglicherweise effizienteres Protein als bei frugivoren Fledertierarten und anderen Säugern, etwa den Menschen“, so Nesi.
Ein vollständigeres Bild
Bislang wurden alle nektarfressenden Arten nach ähnlichen morphologischen Merkmalen zusammengefasst, z. B. kleiner Wuchs, lange schmale Schnauzenregion (Rostrum) oder spezialisierte Papillen auf der Zunge. Den genetischen Daten zufolge entwickelte sich diese besondere Morphologie und Ernährung jedoch unabhängig voneinander mehrmals außerhalb dieser etablierten Gruppen. „Damit gelang es uns, die Evolutionsgeschichte der Flughunde zu vervollständigen“, sagt Nesi. Nun sollen noch mehr Gene getestet werden, um den Wissensstand zu erweitern. „Komplementär dazu sollen transkriptomische (RNA-)Daten Zugang zu allen proteinkodierenden Genen liefern – auch jenen, die in anderen Organen wie Bauchspeicheldrüse und Darm exprimiert werden“, sagt Nesi. Auf diesen ersten Ergebnissen des Projekts CHIROGLU sollen künftig größere Projekte aufbauen, etwa zu anderen Gruppen nektarfressender Fledertiere oder allgemein Wirbeltieren, die sich von Nektar ernähren, etwa Kolibris und Honigbeutler. Auch mit anderen Methoden wie zum Beispiel der Genschere CRISPR/Cas9 soll getestet werden, wie effizient Gene die Verstoffwechslung von Glukose steuern.
Schlüsselbegriffe
CHIROGLU, Fledertiere, Flughunde, Nektar, Diabetes, Genom, Gene, Anpassung, steuern