Bessere Sprachentwicklung bei Kindern mit Hörschädigung
Kinder mit Hörschädigung müssen schon früh im Leben enorme Herausforderungen meistern, unter anderem die kognitive und sprachliche Entwicklung. „Es ist bekannt, dass die genaue Sprachwahrnehmung durch Hörverlust eingeschränkt ist, und es auch Probleme mit der Rechtschreibung geben kann“, erklärt die Projektkoordinatorin von Comm4CHILD, Cécile Colin von der Université libre de Bruxelles in Belgien. „Das Gehirn ist hochgradig vernetzt, sodass eine Hörschädigung sich auf die nachfolgende Verarbeitung und Planung, Lernkonzepte und Problemlösung und sogar soziale Kompetenzen auswirken kann. Kinder mit Hörschädigung erbringen durchweg schlechtere schulische Leistungen und erleben das ganze Leben Probleme mit sozialer Integration.“
Kinder mit Hörschädigung unterstützen
Hörtests bei Neugeborenen werden zwar in weiten Teilen Europas durchgeführt, doch laut Colin wird das derzeitige Einheitsmodell nicht den vielfältigen Bedürfnissen der Kinder mit Hörschädigung gerecht. Das Projekt Comm4CHILD wurde über die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen unterstützt mit dem Ziel, neue Methoden zur frühen Intervention bei dieser Bildungslücke zu entwickeln. Dafür kamen Sachverständige aus Wissenschaft, Industrie, Gesundheits- und Rehabilitationszentren zusammen. Die Forschung wurde unter enger Einbeziehung von Kindern und ihren Familien durchgeführt. Auf drei Bereichen lag ein besonderer Fokus: biologische Vielfalt der Gehirn-Plastizität und Anpassung, Kognition und Sprache. In diesen drei Bereichen sollte das Spektrum der Kommunikationsfähigkeiten der Kinder mit Hörschädigung dokumentiert werden. Außerdem wurden biologische und kognitive Prädiktoren, die dieser Vielfalt zugrunde liegen, bestimmt. Anschließend sollten Möglichkeiten gefunden werden, Kinder mit Hörschädigung individueller und gezielter zu unterstützen. Dabei wurden neue Technologien und Interventionsmittel eingesetzt. Diese Forschung wurde mit einem Schulungsprogramm für 15 Nachwuchsforschende abgeschlossen.
Audiovisuelle Werkzeuge zur Förderung der kognitiven Entwicklung
Im Projekt konnte gezeigt werden, dass frühes Eingreifen auf verschiedenen Ebenen der Hörschädigung höchst effektiv sein kann. Mit Algorithmen wurden spezifische Zielstrukturen für das Einsetzen von Cochlear-Implantaten für individuellere Behandlungen bestimmt. „Wir entwickelten auch neue audiovisuelle Werkzeuge zur Förderung der kognitiven Entwicklung und Sprache“, berichtet Colin. „Durch diese Versuche konnten wir die Beziehung zwischen der auditiven Wahrnehmung der Kinder und der Kognition besser nachvollziehen.“ Aus dem Projekt sind einige Empfehlungen zum Thema Sprachrehabilitation und schulischer Förderung gehörloser und schwerhöriger Kinder hervorgegangen. Zudem wurden Tipps für Eltern erarbeitet, wie die Interaktionen mit multimodalen Kommunikationsressourcen erleichtert werden können.
Weniger Auswirkungen durch unzureichend behandelte Hörschädigungen
Ein weiteres wichtiges Ergebnis ist, dass die 15 Nachwuchsforschenden erfolgreich eine Anstellung in der Forschung oder in Kliniken gefunden haben. „So können wir weiter die Kluft zwischen Forschung und Praxis schließen und die Ergebnisse von Comm4CHILD im klinischen Umfeld einsetzen“, ergänzt Colin. Die Partner, die Algorithmen zur Lokalisierung von Zielstrukturen für das Cochlear-Implantat entwickelten, werden die Ergebnisse für die Produktentwicklung verwenden. Auch ein Lehrbuch für Studierende und medizinische Fachkräfte ist geplant. In diesem werden alle theoretischen, methodischen und technologischen Fortschritte aus dem Comm4CHILD-Projekt zusammengefasst. „Wir hoffen, dass wir mit dem Projekt dazu beitragen konnten, dass unzureichend behandelte Hörschädigungen auf europäischer Ebene weniger Auswirkungen haben“, so Colin. „Wir hoffen auch, dass die öffentliche Meinung über die Folgen einer Hörschädigung auf das Leben von Kindern, die Vielfalt der Spracherfahrungen und die Möglichkeiten, diese Kinder vollständig in die Gesellschaft einzubinden, sich ändern wird.“
Schlüsselbegriffe
Comm4CHILD, Gehör, Sprache, kognitiv, linguistisch, Gehirn, Bildung