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Healing Encounters: Reinventing an indigenous medicine in the clinic and beyond

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„Ayahuasca ist kein Psychedelikum“ – indigene Wissensformen in den Mittelpunkt der Forschung stellen

Indigene Führungspersönlichkeiten und traditionelle Praktizierende wenden sich zunehmend gegen die Medikalisierung von Ayahuasca, die im Rahmen der psychedelischen Renaissance im Bereich psychische Gesundheit stattfindet.

Ayahuasca ist ein Quechua-Name für ein psychoaktives und emetisches Kräutergebräu, das bei den indigenen Gruppen im nordwestlichen Amazonasgebiet weit verbreitet ist. „Im indigenen Amazonasgebiet werden Nixi pae, Uni und Kamarampi, wie Ayahuasca auch genannt wird, als Wissenstechnologie verstanden, eine besondere Form der speziesübergreifenden Kommunikation, die eine Brücke zwischen Mythos und Gegenwart schlägt“, sagt Emilia Sanabria, Anthropologin am Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung in Frankreich (CNRS) und Hauptforscherin im Projekt Healing Encounters. Im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat unterstützten Projekts wurden die Begegnungen erforscht, die durch die weltweite Verbreitung von therapeutischen Praktiken, bei denen sich des Ayahuasca-Gebräus bedient wird, ausgelöst werden.

Ayahuasca-Aneignung

Das Projektteam untersuchte die komplexe Dynamik, die die Interaktionen zwischen indigenen Praktiken, traditionellen und neotraditionellen städtischen Praktiken und denen der westlichen Biomedizin umgibt. Ayahuasca-Gebräu enthält N,N-Dimethyltryptamin (DMT) – einen chemischen Stoff ähnlich wie LSD oder Psilocybin. Das erneute Interesse am Potenzial von Psychedelika zur Behandlung von Erkrankungen wie Depression, posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) oder Sucht hat dazu geführt, dass immer mehr medizinische Fachleute das therapeutische Potenzial von Ayahuasca untersuchen. Die derzeitige psychedelische Renaissance in der Biomedizin „birgt jedoch die Gefahr, dass sich das Gebräu von seinen indigenen und traditionellen Umgebungen entfremdet, in denen über Jahrhunderte gewachsene Pflegepraktiken vorherrschen“, so Sanabria. Auf dem 4. Indigenen Ayahuasca-Kongress (Website auf Portugiesisch), der 2022 stattfand, wurde erklärt, dass Ayahuasca keine Handelsware ist, sondern „der Faden des Lebens“. So wurde unter anderem festgestellt: „Ayahuasca ist kein Psychedelikum, sondern ein fühlendes Wesen.“ Daher sammelte das Team von Healing Encounters ethnografische Daten an und zwischen drei Arten von Orten. „Wir führten ethnografische Feldforschung in städtischen Zentren durch, wo neotraditionelle Ritualformen weit verbreitet sind und analysierten die Auswirkungen, die das weltweit steigende Interesse an Ayahuasca auf die Gemeinschaften im indigenen Amazonasgebiet hat“, sagt Sanabria. „Wir führten außerdem ethnografische Forschung in klinischen Umgebungen durch, in denen Fachleute aus Neurowissenschaft und Pharmakologie versuchen, das therapeutische Potenzial von Ayahuasca mit westlichen Diagnosekriterien und Bewertungsmodellen zu qualifizieren, die häufig für diese Aufgabe nicht geeignet sind“, kommentiert sie.

Anwendung indigener Forschungsmethoden

Es wurde eine Zusammenarbeit mit zwei indigenen Organisationen aufgenommen, um die Auswirkungen der Globalisierung von Ayahuasca auf die Lebensweise der indigenen Bevölkerung gemeinsam zu analysieren. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit wurde auch untersucht, welche Rolle Ayahuasca-Praktiken bei der zeitgenössischen Wiederbelebung und dem Widerstand der indigenen Bevölkerung spielen. Ziel war es, andere Wege des Wissens mit Pflanzen zu untersuchen, wie die indigene Praxis der Samakêa. Diese tief verankerte Praxis der Ernährungs- und Verhaltensbeschränkung begünstigt eine pflanzliche Perspektive. „Unsere Mitarbeitenden im Amazonasgebiet nähern sich bestimmten Pflanzen als Lehrende“, so Sanabria. Dies zu respektieren bedeutet, Pflanzen nicht nur als Studienobjekte zu betrachten, sondern auch als Lebewesen. Daraus ergeben sich methodische und theoretische Auswirkungen, die in dem kürzlich erschienenen Buch „Working With Plants That Have Mothers: Dialogues with a Shipibo Onanya“ beleuchtet werden, das von Mitgliedern von Healing Encounters und José Lopez Sanchez, einem der indigenen ethischen und wissenschaftlichen Berater des Projekts, mitverfasst wurde.

Lehren aus der indigenen Wissenschaft

In einem kürzlich in der Fachzeitschrift „Science“ erschienenen Artikel heißt es, dass sich indigene Forschende viel zu lange westliche Forschungs- und Lernmethoden aneignen mussten. Jetzt ist es an den westlichen Forschenden, von der indigenen Wissenschaft zu lernen und sie zu respektieren. „Wir stellten uns das Projekt Healing Encounters als einen kleinen Schritt in diese Richtung vor – einen Schritt, der dazu einlädt, die westlichen Parameter des Wissens zu erschüttern, infrage zu stellen und für eine spekulative Diskussion zu öffnen“, schließt Sanabria. Die Forschenden von Healing Encounters veröffentlichen weiterhin ihre Arbeit und ihre Ergebnisse in einer Reihe von Zeitschriften und Büchern.

Schlüsselbegriffe

Healing Encounters, Ayahuasca, indigene Forschung, indigene Praxis, indigene Wissenschaft, Psychedelika, Biomedizin

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