Implizites und explizites Lernen bei Primaten vergleichen
Das menschliche Lernen wird oft in zwei Arten unterteilt: implizites Lernen, bei dem Wissen unbewusst erworben wird, und explizites Lernen, bei dem Lernen das Ziel von Handlungen oder Verhaltensweisen ist. „Menschen können implizit und explizit oder sogar durch eine Kombination in unterschiedlichem Maße lernen, abhängig von Faktoren wie dem Alter, Umweltbedingungen und der Art der zu lernenden Regelmäßigkeiten“, erklärt Raphaëlle Malassis, Forscherin für Tierkognition am École Normale Supérieure in Paris. „Bisher wissen wir nicht, ob das auch für andere Arten gilt.“ Im EU-finanzierten Projekt ImpExpPrimates wollten Forschende diese Wissenslücke schließen und prüften die These, dass Grammatik implizit und auch explizit gelernt wird. Diese Idee wurde an verschiedenen nicht-menschliche Primaten erforscht, um die Lernprozesse bei der Verarbeitung von Grammatiken und deren evolutionären Ursprung besser zu verstehen.
Implizites und explizites Lernen erforschen
Bei zahlreichen Studien am Menschen wurde nachgewiesen, dass durch explizites Lernen Wissen erworben wird, dessen Anwendung kontrolliert werden kann – also zum Beispiel zu wählen, ob das Gelernte wiederholt wird oder nicht. „Beim impliziten Lernen reproduzieren wir das Gelernte meist automatisch, ohne es zu realisieren – diese Eigenschaft kann bei nicht-menschlichen Tieren getestet werden“, sagt Malassis, die leitende Forscherin bei ImpExpPrimates. Das Team stellte also ein gänzlich nonverbales Paradigma auf, um Wissen zu testen, bei dem Worte durch räumliche Positionen auf einem Bildschirm ersetzt wurde. Die Teilnehmer folgen einem Ziel, das sich gemäß einer simplen Grammatik von einer Position zur nächsten bewegt. Sobald sie die Wege kannten, wurden die Teilnehmer bei zwei Bedingungen getestet: einmal mussten sie die Wege nachbilden, einmal sollten sie es vermeiden. Das Verfahren wurde zunächst erfolgreich mit menschlichen Teilnehmenden validiert und dann auf drei nicht-menschliche Primaten angewendet: Guinea-Paviane (Papio papio), Schimpansen (Pan troglodytes) und Sumatra-Orang-Utans (Pongo abelii).
Ermutigende Ergebnisse einer anspruchsvollen Aufgabe
Bei den Experimenten zeigte sich, dass das Erlernen der Ein- und Ausschlussregeln ohne verbale Anweisungen nicht einfach ist. Laut Malassis hat ein Drittel der menschlichen Teilnehmenden, die genauso geschult wurden wie die Nicht-Menschen, die Regeln nicht gelernt. „Sie haben andere Thesen über die Regeln der Aufgabe aufgestellt, von denen einige ziemlich unerwartet waren!“ Nur sehr wenige der nicht-menschlichen Primaten konnte die Ein- und Ausschlussregeln lernen und anwenden, und nur unter bestimmten Bedingungen. „Diese Ergebnisse sind ermutigend, zeigen aber auch eine große Schwierigkeit auf. Das scheint also nicht das einzige Paradigma zu sein, mit dem unsere These getestet werden muss“, berichtet Malassis, deren Arbeit mit Unterstützung der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen durchgeführt wurde.
Die komplexen Zusammenhänge zwischen Bewusstsein und Lernen
Im Projekt kamen einige neue Fragen auf, denen die ImpExpPrimates-Froschenden gern nachgehen würden. Sie beobachteten zum Beispiel, dass die nicht-menschlichen Primaten manchmal vorausschauend reagierten: Sie hielten ihre Hand über der Position, an dem das Ziel auftauchen würde, noch bevor es das tat. Beim menschlichen Lernen ist dies oft ein Zeichen des expliziten Lernens: Menschen, die so agieren, können meist verbal beschreiben, was sie gelernt haben. „Mit neuen Aufgaben und Maßnahmen, um möglicherweise bewusste Repräsentationen in nicht-sprechenden Wesen zu testen, generieren wir mehr Wissen zu den Zusammenhängen zwischen Bewusstsein und Lernen“, ergänzt Malassis. „Und das nicht nur bei Menschen, sondern bei vielfältigeren kognitiven Systemen!“
Schlüsselbegriffe
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