Erkenntnisse über die syrischen Flüchtlinge in der Türkei
In der Türkei leben derzeit etwa 3,6 Millionen registrierte syrische Flüchtlinge. Das ist die größte Flüchtlingsgruppe der Welt. Die meisten von ihnen leben in städtischen Siedlungen, wobei etwa 240 000 Flüchtlinge in Flüchtlingslagern der Regierung leben. Zu den Auswirkungen dieser Flüchtlinge auf die Bevölkerung des Landes wurde zwar viel geforscht, doch über die Flüchtlinge selbst ist nur wenig bekannt. Der Zustrom war zu groß und die Türkei zu unerfahren mit solch enormen Migrationsströmen. Die syrischen Flüchtlinge in der Türkei haben auch keinen ständigen Wohnsitz und werden somit nicht in Haushaltserhebungen erfasst. Finanziert über die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen sollte im Projekt SYRREFTDHS mehr über diese große Flüchtlingsgruppe herausgefunden werden. Dabei wurden zentrale Aspekte des Lebens untersucht, darunter der Zugang zu öffentlichen Dienststellen, Beschäftigungsmöglichkeiten und demographische und gesundheitliche Faktoren. Als Hauptdatensatz wurde die Demographie- und Gesundheitserhebung 2018 der Türkei angesetzt, bei der auch eine nationale Vertretungsperson der syrischen Flüchtlinge in der Türkei mitgewirkt hat. „Ich habe für die Türkei kritische Themen analysiert, die auch Konsequenzen für mehrere Aufnahmeländer mit geringem und mittlerem Einkommen sowie europäische Aufnahmeländer haben“, sagt Murat Guray Kirdar, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Boğaziçi Universität in der Türkei und Projektkoordinator bei SYRREFTDHS. „Im Projekt wurde mehr Wissen über eine gefährdete Gruppe generiert, die tragische Ereignisse durchlebt hat.“
Die Auswirkungen von Bürgerkrieg und Migration
Kirdar und sein Team untersuchten die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt und der Kinder in das Bildungssystem und verglichen die Ergebnisse von Staatsangehörigen und Flüchtlingen. Das Team wollte die direkten Auswirkungen des Bürgerkriegs und des Flüchtlingsstatus beleuchten, berücksichtigte dabei aber, dass die Demographie und der wirtschaftliche Status der zwei Gruppen von vornherein deutlich abweichen könnte. Die Flüchtlinge wurden auch als alleinstehende Gruppe betrachtet, um die Auswirkungen von zwei wichtigen Faktoren zu beurteilen: den Ausbruch des Bürgerkriegs und die Ankunft in der Türkei mit Flüchtlingsstatus. „Ich habe diese Auswirkungen insbesondere auf die Heiratsaussichten geflüchteter Frauen geprüft“, ergänzt Kirdar.
Grundlegende soziale Ungleichheiten
Aus dem Projekt gingen einige wichtige Ergebnisse hervor. Die syrischen Flüchtlinge in der Türkei weisen in den ersten Jahren nach der Ankunft eine höhere Beschäftigungsquote vor als in anderen europäischen Ländern. Diese Arbeitsstellen sind jedoch meist auf den informellen Arbeitsmarkt beschränkt und somit schlecht bezahlt und zu fragwürdigen Bedingungen zu verrichten. Nach der Ankunft in der Türkei kommt es zu mehr nicht arrangierten Eheschließungen als arrangierten. „Diese Tatsache erklären wir uns mit einer Machtverschiebung zwischen den Generationen“, sagt Kirdar: „Ältere Generationen waren weniger wohlhabend. Auch die Beschäftigungsquote fiel bei ihnen deutlich geringer aus als in Syrien.“ Die Kinder von Flüchtlingen in der Türkei haben ein geringere Geburtsgewicht und sind kleiner als die Kinder von Staatsangehörigen, selbst nach einer Anpassung an sozioökonomische Unterschieden. „Die verbliebenen Unterschiede scheinen die Bedingungen im Herkunftsland vor der Migration abzubilden“, erklärt Kirdar.
Verbreitung der Projektergebnisse
Kirdar organisierte zwei Konferenzen, um die Projektergebnisse vorzustellen: Eine in Ankara, hauptsächlich für Regierungsinstitutionen, NRO und internationale Organisationen in der Türkei und eine in Istanbul für ein wissenschaftliches Publikum. Kirdar arbeitet jetzt an Projekten mit derselben Datengrundlage und einem ähnlichen Datensatz aus Jordanien zu den syrischen Flüchtlingen dort. „Ich habe auch bestimmte Maßnahmen analysiert, mit denen die Lebensbedingungen der Flüchtlinge verbessert werden sollten, zum Beispiel das Programm ‚Emergency Social Safety Net‘ in der Türkei“, ergänzt Kirdar. „Mein Interesse liegt in Zukunft insbesondere auf der Wirkung ähnlicher Maßnahmen.“
Schlüsselbegriffe
SYRREFTDHS, Türkei, Syrien, Flüchtlinge, Migration, Bürgerkrieg, soziale Ungleichheiten