Das öffentliche Vertrauen in Expertinnen und Experten, von COVID bis zum Klimawandel
Politische Entscheidungen in Demokratien beruhen hauptsächlich auf Expertenrat. Damit neue Strategien aufgehen, muss Vertrauen in diese Expertinnen und Experten bestehen. Durch den zunehmenden Populismus und eine Stimmung gegen die Eliten wird diese Expertise in bestimmten Teilen der Gesellschaft zunehmend in Frage gestellt. Im Rahmen des Projekts PERITIA wurde das Vertrauen in Expertinnen und Experten zum Thema Klimawandel näher untersucht. Aufgrund der Umstände zu Beginn des Projekts im März 2020 wurde auch die COVID-19-Pandemie in den Forschungsbereich aufgenommen. „Wir konnten dieses monumentale Ereignis nicht einfach ignorieren und beschäftigten uns mit Fragen zum Vertrauen und der Expertise im Zusammenhang mit der Pandemie und Impfskepsis“, erklärt die Hauptautorin des PERITIA-Projekts, Maria Baghramian, Professorin am Philosophischen Institut des University College Dublin in Irland.
Von der Theorie zur Anwendung
In Zusammenarbeit mit 11 Institutionen in neun Ländern kamen bei PERITIA Vertreterinnen und Vertreter aus Philosophie, Sozial- und Naturwissenschaften, Politikexpertise, Ethik, Psychologie, Medien und Verbänden der Zivilgesellschaft zusammen. Gemeinsam wurden komplexe Themen zu Vertrauen in und der Vertrauenswürdigkeit von Expertinnen und Experten bei politischen Entscheidungen behandelt. In den ersten zwei Phasen wurden soziale, psychologische und ethische Dimensionen von Vertrauen untersucht. In der letzten Phase gingen die Forschenden in direkten Kontakt mit der Öffentlichkeit: Sie organisierten öffentliche Debatten in fünf Ländern zu den Themen Verkehr und Klimawandel. „Die Idee war, dass ein strukturierter, aber offener Dialog zwischen Expertinnen und Experten und der Bevölkerung das gegenseitige Verständnis und somit Vertrauen fördern würde“, so Baghramian.
Vertrauen über Indikatoren messen und schaffen
Ein wichtiges Ergebnis ist, dass gemeinsame soziale und politische Werte sich auf die Rolle von Expertise bei der Entscheidungsfindung auswirken. Das Vertrauen in die Sozialwissenschaften zum Beispiel ist in eher konservativen Gruppen geringer. „Wir fanden auch heraus, dass es zumindest zum Thema Klimawandel von klar abgrenzbaren psychologischen Einstellungen abhängt, ob Expertenrat angenommen und gehandelt wird oder nicht“, ergänzt Baghramian. So ist es eine Herausforderung, Menschen mit einer fatalistischen Einstellung zum Klimawandel zu positiven Klimaschutzmaßnahmen zu bewegen. Aus den Ergebnissen geht die Multidimensionalität des Vertrauens in Expertinnen und Experten hervor. Die komplexe Lage wird im PERITIA Trustworthiness Toolkit zusammengefasst. Sämtliche Ergebnisse und die Analyse und politischen Leitlinien sind auch über den PERITIA Trust Hub verfügbar.
Mehr Vertrauen in Expertinnen und Experten schaffen
Aus dem Projekt gingen viele Ergebnisse hervor: 23 durch Gleichrangige beurteile Artikel, fünf Zeitschriftenausgaben, drei Bücher, zwei Literaturüberblicke, zwei Podcast-Serien, Daten aus einer großen europäischen Erhebung, drei internationale Konferenzen und zehn Workshops. Das Team erstellte auch entwicklungspolitische Richtprogramme, Briefing-Berichte und Arbeitspapiere für die Europäische Kommission und darüber hinaus. Mehrere PERITIS-Mitglieder haben ihre Ergebnisse vor Politikerinnen und Politikern und parlamentarischen Arbeitsgruppen vorgestellt. Neben öffentlichen Foren und Podcasts wurde auch der Aufsatzwettbewerb „Youth on Trust“ in Verbindung mit den Irish Young Philosopher Awards und der Vortragsreihe „[Un]Truths“ durchgeführt. „Wir hoffen, dass diese umfassende Öffentlichkeitsarbeit – im Rahmen des Projekts wurden etwa 2 Millionen Menschen angesprochen – einen positiven Einfluss auf den Aufbau von Vertrauen in legitime Expertinnen und Experten haben wird“, sagt Baghramian.
Schlüsselbegriffe
PERITIA, Demokratie, Vertrauen, Politik, Expertin, Experte, Öffentlichkeit, Indikatoren, etablieren, COVID-19, Klimawandel, Verkehr