Zu Hause ist es am schönsten: innovative Wohnlösungen, die Migrierten die Ansiedlung erleichtern
Ohne feste Adresse können Migrierende beim Zugang zu unverzichtbaren Dienstleistungen wie der Gesundheitsversorgung, Banken, Bildung und zu Arbeitsplätzen auf große Schwierigkeiten stoßen. „Prekäre Wohnbedingungen bedeuten für die Menschen nicht nur ein Leben in ständiger Schwebe, in der ihnen die Wahrnehmung ihrer Rechte verwehrt ist, sondern sie schaden auch ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit“, sagt Noémie Dominguez, eine Forscherin aus Lyon, die am EU-finanzierten Projekt MERGING (Housing for immigrants and community integration in Europe and beyond: Strategies, policies, dwellings, and governance) mitarbeitet. Migrierte werden von Vermietenden aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihres wirtschaftlichen Status oft diskriminiert. Unterkünfte für schutzbedürftige Gruppen führen überdies oft zu Spannungen mit der örtlichen Bevölkerung, die in den Neuankömmlingen manchmal eine Konkurrenz um knappe Ressourcen oder auch ein störendes, „viertelverderbendes“ Element sieht. Das Projekt MERGING untersucht unterschiedliche Wohnlösungen, die eine größere Akzeptanz von Migrierten bei den Menschen vor Ort bewirken können. „Wir testen im Augenblick Programme für Ko-Kreation und nachbarschaftliche Beteiligung, um herauszufinden, ob durch gemeinsame Aktivitäten Stereotypen aufgebrochen und Barrieren überwunden werden können“, ergänzt Catherine Mercier-Suissa, Projektkoordinatorin von MERGING.
Innovative Unterbringungsmodelle
MERGING verfolgte einen Ansatz der Aktionsforschung, der in Workshops mit verschiedenen sozialen Akteurinnen und Akteuren wie NROs, Vertretungspersonen lokaler Bürgergruppen, politischen Entscheidungstragenden und lokalen Behörden gemeinsam erarbeitet wurde. Durch eine Analyse der Aufnahme- und Integrationsmöglichkeiten für Migrierte in vier Ländern (Spanien, Frankreich, Italien, Schweden) ermittelte das Team Wohnungsprogramme, die sich zur Erprobung eigneten. Anschließend wurden in Valencia, Lyon und Göteborg Machbarkeitsstudien durchgeführt, auf die dieses Jahr die Umsetzung folgen wird. Jedes Pilotvorhaben wurde spezifisch auf den lokalen Kontext zugeschnitten. In Valencia kommt dem Projekt die intensive Unterstützung der Regionalverwaltungen zugute. So wurden unter anderem acht Wohnungen und ein Raum für das Projektmanagement und zur gemeinsamen Nutzung angeboten. Sie liegen alle im Umkreis von zehn Fußminuten von einander entfernt im historischen Stadtzentrum, das zunehmend gentrifiziert wird. Nach einem partizipativen Prozess mit 12 Interessengruppen (darunter NRO sowie Lokal- und Regionalbehörden) wurden den Begünstigten ihre Wohnungen zugewiesen, die voraussichtlich diesen Sommer bezogen werden. Nach der ursprünglichen dreijährigen Mietvereinbarung mit der Universität Valencia können Begünstigte, die die Kriterien für Sozialwohnungen erfüllen, gegen Zahlung einer Sozialmiete an die örtliche Wohnungsbehörde weiter dort wohnen bleiben. „Wir sind sehr stolz darauf, dass wir 18 Menschen ein stabiles Zuhause in einem Viertel bieten können, in dem bezahlbare Wohnflächen und kulturelle Vielfalt momentan fehlen“, merkt der Teamleiter für Valencia, Carles Xavier Simo Noguera, an. „Mittlerweile sind wir mit der Mitgestaltung des entsprechenden Integrationsprogramms zugange.“
Eine Unterbringungslösung der neuen Art
In Frankreich gewann das Pilotvorhaben die Unterstützung lokaler Behörden in Lyon, um sieben Tiny Houses und einen gemeinsamen Raum auf Land im Besitz der ortsansässigen NRO Le Foyer Notre-Dame des Sans-Abri (Website auf Französisch) zu bauen. Die Häuser werden vom Projektpartner Quatorze gebaut und installiert, während die FNDSA für die Entwicklung, die Auswahl der Begünstigten und die Koordination der sozialen Unterstützung zuständig ist. „Es war nicht ganz einfach, die Unterstützung der lokalen Gemeinschaften zu gewinnen, da sie in der Vergangenheit bereits Erfahrungen mit Hausbesetzungen machen mussten“, sagt Mercier-Suissa, die beim Projektträger, der Universität Lyon, tätig ist. „Doch dank der Unterstützung des Bürgermeisters und der aufgezeigten Möglichkeiten, wie der Beteiligung an diversen Aktivitäten, haben wir es geschafft.“ In Göteborg führten die Zurückhaltung der Gemeinde und Verzögerungen bei den Baugenehmigungen zur Errichtung eines schwimmenden Hauses im Viertel Ringön, das für sein alternatives Flair bekannt ist. Dieses Pilotvorhaben wurde in das urbane Projekt Floating Lab integriert, das sich mit Problemen im Hinblick auf steigende Wasserstände beschäftigt. Es richtet sich an junge Asylsuchende, die Interesse hätten, an einem sechs- bis zwölfmonatigen Ausbildungsprogramm im Schiffbau teilzunehmen. Jedes Haus wird von bis zu vier Mitbewohnenden geteilt. Wie die leitende Architektin Nancy Ottaviano erklärt: „Dieses Pilotprojekt geht drei Belange auf einmal an: Wohnungsmangel, den Schutz Asylsuchender vor der Ausweisung und Schutz vor Hochwasserrisiken.“
Politische Implikationen
Der Ansatz von MERGING könnte eine wertvolle Grundlage für die Umsetzung des Aktionsplans der EU für Integration und Inklusion 2021-2027 liefern, die als einen ihrer vier Grundpfeiler den „Zugang zu angemessenem und erschwinglichem Wohnraum“ vorsieht. Das Göteborg-Team hat sieben wohnungspolitische Empfehlungen zur Verbesserung der Integration formuliert: kontextbewusste Lösungen; die Verknüpfung mit der Arbeitsmarktintegration; lokale Aktivitäten zur Förderung des sozialen Zusammenhalts; vielfältige Behausungen; partizipative Governance; ein soziales Geschäftsmodell; und die Zusammenarbeit von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen. Andrea Spehar, die Forschungsleiterin für das Projekt in Göteborg, sagt abschließend: „Wir zeigen, dass man den Begünstigten Gehör schenken und die lokalen Gemeindemitglieder bei Unterbringungslösungen einbeziehen muss, wenn die Integration gelingen soll.“
Schlüsselbegriffe
MERGING, Migrierende, wohnen, Unterbringung, Migration, Ko-Kreation, partizipativ, Integration, Kommunen, Gemeinde, Gemeinschaft