Weniger Risiken durch virenverseuchte Aerosole in Operationssälen
Virusinfektionen sind für medizinisches Personal, insbesondere bei chirurgischen Operationen, ein hohes Gesundheitsrisiko. Bei der minimalinvasiven bzw. Schlüsselloch-Chirurgie etwa wird der Bauch mit Kohlendioxid wie ein Ballon aufgepumpt und eine kleine Kamera eingeführt. Das Aufpumpen verbessert die Kamerasicht, und es können auch weitere chirurgische Instrumente eingeführt werden. Der Trokar für die Penetration der Bauchdecke ist mit einem Ventil versehen. „Das Schwierige ist hier, dass bei jedem Ein- und Ausführen von Instrumenten rings um die Einführungsstelle und aus der Öffnung heraus gasförmiges Kohlendioxid entweicht“, erläutert Ciaran Clissmann, Projektkoordinator von PORSAV bei Pintail, Irland. „Bei einer COVID-19- oder anderen Infektionserkrankung kann das aus dem Körper entweichende Gas allerdings viruskontaminiert sein.“ Aus den Leckagen kann das kontaminierte Gas dann in den Operationssaal ausströmen. Wegen des hohen Risikos rieten daher mehrere chirurgische Fachgesellschaften zu Beginn der COVID-19-Pandemie von minimalinvasiver Chirurgie ab.
Visualisierung der Aerosolbelastung und Leckagedetektion
Für besseren Arbeitsschutz in Operationssälen sollte das EU-finanzierte Projekt PORSAV nun Lösungen für die Visualisierung der Aerosolbelastung und Leckagedetektion entwickeln. „Austretende Aerosole vermischen sich mit anderen Gasen im OP“, erklärt Clissmann, „sodass es möglich ist, sie mittels Schlierenfotografie, die Schwankungen des Brechungsindexes von Gasen abbildet, sozusagen ‚sichtbar‘ zu machen.“ Vor Beginn des Projekts PORSAV hatte eine Arbeitsgruppe am University College Dublin die Technologie der Schlierenfotografie optimiert. Vom Medizintechnikhersteller Palliare war zudem der Prototyp eines Auffangsystems für Aerosolleckagen namens LeakTrap entwickelt worden. Dabei werden um die Einstichstelle des Trokars und um die Stelle, über die die Instrumente ein- und ausgeführt werden, Ringe angebracht.
Validierung in der klinischen Praxis
Ziel von PORSAV war die Validierung von LeakTrap in der klinischen Praxis und die Hochskalierung der Produktion für den Einsatz in Krankenhäusern europa- und weltweit. „Nach Abschluss der Entwicklungsphase von LeakTrap richteten wir eine Massenfertigungslinie in Polen ein“, ergänzt Clissmann, „und organisierten die klinische Validierung des Geräts in Dublin und Paris.“ Die Studien wurden mit Zustimmung von mehr als 100 Patientinnen und Patienten durchgeführt, wobei das System bei der Hälfte der Operationen zum Einsatz kam, bei der anderen Hälfte nicht. Bei allen Operationen erfolgte eine Videoaufzeichnung mittels Schlieren-Kamera, deren nachfolgende Analyse zeigte, wieviel Gas jeweils mit und ohne Gerät austritt. Die Tests belegten eindeutig die höhere Sicherheit für das chirurgische Personal.
Aktualisierte chirurgische Leitlinien
„Der größte Projekterfolg war, den Prototyp eines neuen medizintechnischen Systems in so kurzer Zeit zu einem vollständig validierten Massenprodukt weiterzuentwickeln“, sagt Clissmann. „Von diesem Projekt profitiert natürlich das chirurgische Personal, vor allem aber die Fachpflegekräfte im Operationsdienst, die noch mehr Zeit im Operationssaal verbringen. So wird das gesamte Gesundheitswesen profitieren, da unverzichtbare Fachkräfte geringeren Infektionsrisiken ausgesetzt sind.“ Obwohl sich die COVID-19-Pandemie seit Projektbeginn abgeschwächt hat, werden die Risiken im Zusammenhang mit chirurgischen Rauchgasen und anderen Kontaminanten erst jetzt klar. „Das Anwendungsspektrum für Systeme, die das ‚Unsichtbare sichtbar‘ machen, geht über die Chirurgie weit hinaus“, sagt Clissmann. Das Projektteam nimmt derzeit in Zusammenarbeit mit der Europäischen Vereinigung für Endoskopische Chirurgie (EAES) die Geräte in überarbeitete chirurgische Leitlinien auf. LeakTrap soll demnächst als Medizinprodukt in Europa zugelassen werden, da die FDA- Zulassung in den Vereinigten Staaten bereits vorliegt.
Schlüsselbegriffe
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