Unwetterforschung für sturmsichere Gebäudekonstruktionen
Unwetter bringen Menschen in Gefahr und können binnen kürzester Zeit enorme Schäden an Gebäude-, Verkehrs- und Energieinfrastrukturen anrichten. Wissenschaftlich gesichert ist, dass mit der Erderwärmung auch konvektive Luftströmungen und Unwetterhäufigkeit zunehmen. „Da Unwetter nur kurz andauern und relativ begrenzt auftreten, sind genauere Messungen bislang schwierig“, erläutert Maria Pia Repetto, Projektkoordinatorin von THUNDERR an der Universität Genua in Italien. „Demzufolge existiert trotz intensiver Forschung zu diesem Thema kein allgemeines Modell zu Unwettern oder deren Auswirkungen auf Infrastrukturen.“ Vor allem im Hoch- und Tiefbau ist dies ein großes Manko und belegt durch die häufigen Unwetterschäden an kleinen und mittelgroßen Gebäuden. Ein Grund dafür ist, dass Gewitterfallböen ihre maximale Kraft in der Regel in Bodennähe (50 bis 100 Meter über der Erdoberfläche) entfalten.
Unwetterforschung
Vor diesem Hintergrund sollte das vom Europäischen Forschungsrat finanzierte Projekt THUNDERR genauere Simulationen und Modelle von Unwetterfolgen entwickeln, um künftig sturmsicherer und kostengünstiger bauen zu können. Zunächst wurde ein bestehendes Windüberwachungsnetzwerk mit innovativen Sensoren und Software ausgerüstet, um Echtzeitdaten zu erfassen. Repetto erklärt: „Das Netzwerk lieferte uns detaillierte Daten zur lokalen Zeitstruktur von Gewitterfallböen, die für ein detailliertes Modell der räumlichen Struktur von Unwettern jedoch nicht ausreichten.“ Dazu wurden Tests im Windkanal und mit numerischer Strömungsmechanik durchgeführt. Konkret wurden in dem speziell entwickelten Windkanal WindEEE Dome an der University of Western Ontario, Kanada, skalierte Simulationen durchgeführt und mathematische Modelle zur Synthese der erhobenen Daten erstellt, um die wichtigsten physikalischen Merkmale abfließender Luftströmungen in Unwettern zu erfassen. „Ein weiteres wichtiges Ziel waren Folgenabschätzungen von Unwetterschäden an Gebäuden“, sagt Repetto. „Diese Abflüsse sind vorübergehend und kurz, und das Verhalten von Gebäuden kann auf einem Antwortspektrum dargestellt werden, ähnlich wie bei der Bemessung von Bauwerken gegen Erdbebenschäden.“ Zwei (18 und 50 Meter hohe) Gebäude wurden mit Messfühlern ausgestattet, um Informationen zum Verhalten unter realen Bedingungen zu liefern. Auf dieser Basis wurden dann neue Methoden erarbeitet, um die Widerstandsfähigkeit kleiner und mittlerer Gebäude gegen Unwetterschäden zu berechnen.
Sturmsichere Bauweise
Zu den Ergebnissen von THUNDERR zählen die Aufrüstung eines bereits bestehenden Windüberwachungsnetzwerks, die Entwicklung neuer Analysemethoden zur Beschreibung von Unwetterereignissen und neue Methoden zur Messung der Reaktion von Bauwerken auf Unwetter. Die Ergebnisse wurden zusammengefasst und stehen der wissenschaftlichen Forschung frei zur Verfügung. „Der frei zugängliche Katalog liefert Forschenden weltweit zuverlässige Unwetterdaten“, fügt Repetto hinzu. Verbesserungen bei der Überwachung und der Modellierung kommen vor allem Häfen zugute, deren Betrieb stark wetterabhängig ist, aber auch anderen sturmgefährdeten Infrastrukturen. Die neuen Modelle zur Unwetterbelastung werden für die Baubranche hilfreich sein, um die Sturmsicherheit von Gebäuden zu verbessern und kostengünstiger zu bauen. Repetto geht auch von einer langfristigen Umsetzung der Projektergebnisse im Bildungssektor aus, da Unwetterforschung und Ingenieurausbildung in multidisziplinärer Weise zusammengeführt werden. Geplant sind nun Analysen zu Unwetterfolgen im Kontext des Klimawandels, KI-Anwendungen (künstliche Intelligenz) und Big-Data-Analysen sowie Analysen von Unwetterschäden im Verkehrssektor.
Schlüsselbegriffe
THUNDERR, Unwetter, Technik, Sturmböen, Sturm, Wetter, Verkehr, Energie, Infrastruktur