Lebensrettende Echtzeit-Erdbeobachtungsprodukte
Einen wichtigen Trend auf dem Markt rund um die Erdbeobachtung stellt die Entwicklung hin zu intelligenten und autonomen Satelliten, d. h. zum Angebot von Produkten und Dienstleistungen mit erhöhter Reaktionsfähigkeit, Verfügbarkeit, Konsistenz und vor allem kurzen Antwortzeiten dar. Unter Latenz ist die Zeitspanne zwischen der Erfassung einer Beobachtung und ihrer Bereitstellung für die Endnutzung zu verstehen. Bei dieser Beobachtung kann es sich um ein Bild oder übergeordnete Informationen wie etwa Daten handeln, die auf schwere Stürme hinweisen, die sich über bestimmten Gegenden zusammenbrauen. „Grundsätzlich werden die Endnutzenden das Gewünschte sehen können, wann immer sie wollen, und zwar nahezu in Echtzeit, sodass sie schnell, effizient und kostengünstig kritische Informationen abrufen können“, erläutert Murray Kerr, Koordinator des Projekts EO-ALERT, vom Unternehmen Elecnor Deimos, an dem das Projekt angesiedelt ist. Das EU-finanzierte Projekt EO-ALERT hat nun in Anbetracht der Bedeutung der Informationsgeschwindigkeit zugunsten wirksamer Notfallmaßnahmen einen Konzeptnachweis für globale Erdbeobachtungsdienstleistungen in Echtzeit entwickelt.
Die Architektur des Konzeptnachweises
EO-ALERT begann mit der Definition der Merkmale von Nutzungsszenarien wie zum Beispiel Notfallsituationen, in denen Echtzeitinformationen erforderlich sind. Auf diese Weise konnte das Team eine neue Erdbeobachtungsarchitektur entwerfen, bei der Edge Computing zum Einsatz kommt. „Dieser Schritt war für unser multidisziplinäres Team überaus wichtig, da bisher keine Architektur für zivile Echtzeit-Erdbeobachtungsdienste existierte“, erklärt Kerr. Im Folgenden stellte das Team die technischen Bausteine zusammen, die aus drei zentralen Elementen bestehen: dem Sensor (einem optischen Kamera- oder Radarsensor mit synthetischer Apertur (SAR)), dem Bordcomputer zur Sensordatenverarbeitung während des Flugs und einem globalen Kommunikationssystem zur Übermittlung der Informationen in Richtung Endnutzung. „Genau genommen ähnelt unser endgültiges System in seiner Funktionsweise den Mobiltelefonen von heute. Der Hauptunterschied besteht darin, dass der Satellit und der Bilderzeuger mit einer Geschwindigkeit von etwa sieben Kilometern pro Sekunde um die Erde fliegen und Bilder aus einer Entfernung von 600 km aufnehmen“, fügt Kerr hinzu. Bei der Erprobung des Systems kamen Szenarien wie die Kurzvorhersage extremer Wetterbedingungen und die Zusammenarbeit mit dem CMRE in La Spezia, Italien, zur für Such- und Rettungseinsätze besonders wichtigen Erkennung und Klassifizierung von Seeschiffen in Echtzeit zum Einsatz. Da das EO-ALERT-System noch nicht vollständig einsatzbereit ist, stammten die Bilder von zwei europäischen Satelliten, dem optischen Satelliten DEIMOS-2 und dem SAR-Satelliten TerraSAR-X. Die Rohdaten wurden am Boden verarbeitet, bevor sie über ein auf einer geosynchronen Umlaufbahn befindliches Kommunikationssystem weltweit übertragen wurden. „Wir waren ziemlich überrascht, wie gut das System bei der abschließenden Erprobung abschnitt. Ziel waren Latenzzeiten von unter fünf Minuten, was schneller als die zu diesem Zeitpunkt in Betrieb befindlichen Systeme war.“ „Tatsächlich erreichten wir eine Schiffserkennung und -klassifizierung innerhalb von etwa einer Minute und wir kommunizierten auch weltweit innerhalb einer Minute – was für Satellitenbilder praktisch Echtzeit bedeutet“, berichtet Kerr.
Mission möglich
Mit EO-ALERT wurde bewiesen, dass kleine, kostengünstige intelligente Satelliten mit optischer Sensorik (Kameras für sichtbare und infrarote Bandbereiche) und Radarsensoren (wie dem SAR-Sensor) entwickelt werden können, um Erdbeobachtungsdienste in Echtzeit bereitzustellen. „Das ist wichtig, weil die Katastrophenmanagementteams verschiedene Arten von Informationen und damit auch unterschiedliche Sensoren benötigen“, merkt Kerr an. Die europäischen Organisationen selbst haben den Bedarf an genaueren und schnelleren Satellitendaten in Hinsicht auf eine bessere Entscheidungsfindung hervorgehoben, was kürzlich auf dem Weltraumgipfel 2022 bekräftigt wurde. Dort wurde das rechtzeitige Katastrophenmanagement, insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimawandel, zum Schwerpunktthema erklärt. Gegenwärtig werden die Architektur und Software von EO-ALERT von Projektpartnern wie DEIMOS für den Satelliten Sat4EO verwendet. Sie sind außerdem für Tests und den Einsatz in Missionen in Form von Produkten wie Insight4EO kommerziell erhältlich. Der nächste Schritt wird in der operativen Demonstration der EO-ALERT-Lösung in einer Umlaufbahn bestehen, und zwar im Rahmen einer IOD/IOV-Mission. Danach sollen diese Ressourcen in zukünftigen europäischen und kommerziellen Missionen eingesetzt werden. „Wir würden uns freuen, wenn EO-ALERT schon bald Beiträge zu Notdiensten leisten könnte, speziell im Rahmen zukünftiger Copernicus-Systeme“, bekräftigt Kerr abschließend.
Schlüsselbegriffe
EO-ALERT, Erdbeobachtung, Satellit, Katastrophenmanagement, Notfallmaßnahmen, Edge Computing, Such- und Rettungseinsätze, Copernicus, Sensoren