Skip to main content
European Commission logo
Deutsch Deutsch
CORDIS - Forschungsergebnisse der EU
CORDIS
CORDIS Web 30th anniversary CORDIS Web 30th anniversary

MAPS – Migrants And People Smugglers: A Comparative Study of Smuggling Networks in the Eastern Mediterranean and the Central American corridors

Article Category

Article available in the following languages:

Rettung, Schurkentum, Hilfe oder Opfertum? Wie sieht die Beziehung zwischen Migrierenden und Schleusern wirklich aus?

Menschenschmuggel – welche Rolle spielen Solidarität und Kooperation? Und wer agiert als Mittler? Um diese wichtige gesellschaftliche Dynamik besser zu verstehen, wird das Projekt MAPS diese und weitere Fragen beantworten.

Die Temperaturen steigen und mit ihnen die Anzahl der Boote, die Migrierende über das Mittelmeer tragen. Nach Angaben der UNHCR, der Flüchtlingsbehörde der Vereinten Nationen, starben allein im Jahr 2021 mindestens 896 Migrantinnen und Migranten oder wurden als vermisst gemeldet. EU-Unterstützung für Projekte wie MAPS hilft, ein klareres Bild der Dynamiken hinter dieser Statistik zu gewinnen. „Was ich herausfinden wollte war, warum Millionen Menschen noch immer ihr Leben in die Hände von Menschen legen, die in den Massenmedien als die Verkörperung des Bösen dargestellt werden“, sagt Luigi Achilli, der Hauptforscher des MAPS-Projekts. Träger des Projekts war das Europäische Hochschulinstitut in Italien. Getrieben von der Verbreitung dieser abwertenden Meinung in den Medien und im allgemeinen Diskurs untersuchte Achilli die irreguläre Migration zunächst nach Europa und dann in die Vereinigten Staaten. Er wollte aufzeigen, was das Schleuserdasein für die Akteure im Zentrum dieses laufenden Dramas bedeutet. „Es begann alles mit einer Frage: Wird der Menschenschmuggel durch irgendetwas anderes als Gier und die Missachtung des menschlichen Lebens angetrieben?“

Eine differenziertere Verbindung

Für die meisten Befragten – Schleuser wie Migrierende – ging es beim Menschenschmuggel um mehr als nur Profit. „Kriminelle Netzwerke können ausbeuterisch sein und gleichzeitig in einem ethnischen Netzwerk und in lokalen Wirtschaften eingebettet sein, in denen Solidarität und Reziprozität tief verwurzelt sind“, merkt Achilli an. Einer der Befragten, Mahdi, ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür: Um Syrien verlassen zu können, musste er in der Türkei als „Leiter“ für genau die Schleuserorganisation arbeiten, über die er und seine Familie das Land verlassen konnten. „Als ich ihn das erste mal traf, war Mahdi ein junger Mann Anfang 20. Er und seine Schleuser kamen aus dem gleichen Dorf in Syrien“, fügt er hinzu. Innerhalb der ersten 2 Jahre nach Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien wurde das Dorf Schauplatz heftiger bewaffneter Zusammenstöße verschiedener Gruppierungen. Durch das intensive Kampfgeschehen verlor das Dorf Zugang zu grundlegenden Rohstoffen und konnte außerdem nicht an die Vorräte umliegender Regionen gelangen. Achilli erklärt: „Es folgten Hunger, Krankheit und eine hohe Sterblichkeit durch diese Situation. Daher kontaktierte Mahdi einen Schleuser, der seine Familie nach Europa bringen würde, unter der Bedingung, dass Mahdi als Gegenleistung mit ihm und seiner Gruppe arbeitet.“ Die Forschung von Achilli wirft schwierige Fragen auf: War der Schleuser ein rücksichtsloser Ausbeuter, der Gewinn aus Mahdis Verletzlichkeit gezogen hat, oder ein Retter, der ihn und seine Familie aus einer unmittelbaren Gefahrensituation befreit hat, in der offizielle Schutzkanäle gescheitert sind? Und wie steht es mit Mahdi selbst? War er ein passives Opfer eines kriminellen Netzwerks oder hat er geschickt die strukturellen Barrieren umgangen? ’Das Ziel meiner Forschung war es, die simplistischen Kategorisierungen wie ’Kriminelle’ und ’Opfer’ zu problematisieren, indem die komplexen Dynamiken an der Wurzel des Menschenschmuggels aufgedeckt werden.“

Muster des Menschenschmuggels im Mittelmeerraum und den amerikanischen Kontinenten

Zwischen 2017 und 2021 hat Achilli mit der Unterstützung der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen ethnografische Forschung betrieben. Diese basierte hauptsächlich auf Interviews und, in geringerem Maße, der teilnehmenden Beobachtung mit syrischen Flüchtlingen und Schleuserorganisationen in Griechenland, Jordanien, Kalifornien, dem Libanon, Mexiko und der Türkei. „Ich arbeitete von der Staatlichen Universität San Diego (SDSU) aus. Die liegt nah an der Grenze zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko und ist bekannt als Kompetenzzentrum zu Migrationstrends aus Mittelamerika“, merkt Achilli an. Er fand heraus, dass der Menschenschmuggel für Migrierende wie Schleuser von großer sozialer und moralischer Bedeutung ist. Trotz der Annahmen über Täuschung und Betrug scheinen Vertrauen und Kooperation bei den Interaktionen zwischen Migrierenden und den Drahtziehern hinter ihren Reisen eher die Regel als die Ausnahme zu sein. „Ausbeutung von Migrierenden und Asylsuchenden war meist eher eine Folge von deren langwierigem Zustand der Entbehrung und Unregelmäßigkeit als eine gezielte kriminelle Absicht von mafia-ähnlichen Organisationen. Das wird an der Situation vieler Geflüchteter aus Syrien deutlich. Die Notwendigkeit, ihre Familien in Syrien zu unterstützen, hat ihre Verletzlichkeit enorm erhöht und auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie unter gefährlichen und ausbeuterischen Bedingungen arbeiten bzw. in Schleusernetzwerke einsteigen, um ihre eigene Mobilität zu erhöhen.“

Von Interviewten zu Kurzdossiers

MAPS hat Wissenslücken aufgedeckt, indem die Perspektiven irregulärer Migrierender, Schleuser, der Behörden und regionaler Gemeinden gleichzeitig, komparativ und langfristig betrachtet wurden. Das Ergebnis sind tiefe, empirische Einblicke in das Phänomen, um den relativen Erfolg bzw. das Versagen damit verbundener Maßnahmen zur Migrationskontrolle bzw. zum Asylmanagement zu bewerten. Diese werden in Veröffentlichungen wie Beyond legality and illegality: Palestinian informal networks and the ethno-political facilitation of irregular migration from Syria (dt. „Über Rechtmäßigkeit und Unrechtmäßigkeit hinaus: Palästinensische informelle Netzwerke und die ethno-politische Erleichterung irregulärer Migration aus Syrien“) und Waiting for the Smuggler: Tales Across the Border (dt. „Warten auf den Schleuser: Geschichten von jenseits der Grenze“) vorgestellt. Das Buch „2021 Global Human Smuggling“ (dt. „Weltweiter Menschenschmuggel 2021“) soll im Januar 2022 veröffentlicht werden. Dieses Thema wird immer wichtiger, da die östliche Mittelmeerroute und die mittelamerikanischen Korridore sich rasant weiterentwickeln und zu ernsthaften politischen und humanitären Problemen werden. „Hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf europäische politische Ziele kann das Projekt Informationen für Maßnahmen bieten, die auf irreguläre Migration und den Kampf gegen Menschenschmuggel abzielen“, fügt Achilli hinzu.

Schlüsselbegriffe

MAPS, Mittelmeer, Migration, Migrierende, Menschenschmuggel, irreguläre Migration

Entdecken Sie Artikel in demselben Anwendungsbereich