Mineralien auf der Erde als Informationsquelle über ihre Gegenstücke auf dem Mars
Die Erde kann zweifelsohne mit vielen großartigen und wertvollen Ressourcen aufwarten, aber von der Oberfläche anderer Planeten und Körpern unseres Sonnensystems geht eine ganz andere Faszination aus, die die Neugier von Forschenden aus aller Welt entfacht. Wie unterscheiden sich diese anderen Welten von unserer eigenen? Wie sehen die grundlegenden physikalischen Vorgänge aus, die ihre Entwicklung bestimmen? Können diese uns dabei helfen, Phänomene besser zu verstehen, die auf unserem eigenen Planeten vonstattengehen? Das sind nur einige Beispiele der vielen Fragen, die die Forschung umtreibt. In diesem sehr aktiven Forschungsbereich sticht PTAL (Planetary Terrestrial Analogues Library) mit einem Beitrag aus der Menge heraus, der in gleichem Maße grundlegend und einzigartig ist. Das Projektkonsortium baut seit 2016 an einer multispektralen Datenbank für Daten über die vielen Mineralien, die bislang auf dem Mars und anderen planetaren Körpern nachgewiesen wurden. „Wir sammeln vergleichbare Proben auf der Erde und charakterisieren diese mit zweierlei Hilfsmitteln: mit Präzisionsgeräten im Labor – die besonders gut geeignet sind, um die Mineralogie und Petrologie abzuleiten, aber nicht ins Weltall geflogen werden können – und mit Instrumenten, mit denen zukünftige Mars-Rover ausgestattet werden sollen“, so Stephanie Werner, Professorin für Geowissenschaften an der Universität Oslo und Koordinatorin von PTAL. Das Projekt konzentriert sich ausschließlich auf den Mars, gibt sich aber nicht damit zufrieden, nur Mineralien zu einem bestimmten Zeitpunkt zu untersuchen. Es befasst sich auch mit deren Evolution, indem es Verwitterungsvorgänge auf dem Roten Planeten unter die Lupe nimmt. „Diese Vorgänge finden bei anderen chemischen und physikalischen Begebenheiten statt, als ähnliche Prozesse auf der Erde, da die Atmosphäre dort vor allem aus Kohlenstoffdioxid besteht, ein Mangel an Sauerstoff herrscht und eine andere Temperaturspanne besteht. Daher haben wir die Bedingungen auf dem Mars in Reaktionsgefäßen simuliert, um die Veränderungen an den Mineralien bei diesen Begebenheiten beobachten zu können. Wir fanden heraus, dass bisherige Interpretationen des Vorgangs, wie ursprüngliches Gestein in Verwitterungsprodukte umgewandelt wird, nicht der Wahrheit entsprechen können. Uns ist jetzt klar, dass andere Interpretationen erarbeitet werden müssen“, erklärt Werner.
Neue Einblicke in die Zusammensetzung des Marsbodens
Die Bemühungen des Projekts könnten für zukünftige Rover-Missionen auf dem Mars von unschätzbarem Wert sein. Betrachten wir zum Beispiel die für 2022 geplante ExoMars-Mission der Europäischen Weltraumorganisation und ihren Rover Rosalind Franklin – den ersten Rover, der sowohl die Oberfläche als auch den Untergrund des Mars untersuchen kann. Die genaue Zusammensetzung des Urgesteins (siliziumreiches vulkanoklastisches Sediment oder mafische basaltische Ströme) und des Tons (Smektite oder Glimmergruppen-Vermiculit) an der Landestelle der Mission muss noch bestimmt werden, und könnte erhebliche Folgen für unser Verständnis der früheren wässrigen Umgebungen auf dem Planeten nach sich ziehen. Gerade dabei kann die Forschung von PTAL von besonderem Nutzen sein. „Da wir die Messungen natürlicher Vorkommnisse und solcher aus dem Labor kombinieren, stellt PTAL wichtige Daten bereit, um möglicherweise erhalten gebliebene Biosignaturen auszuwerten, die geochemische Entwicklungsgeschichte anhand der ursprünglichen Materialzusammensetzung zu interpretieren und vor allem zu bestimmen, welche Messungen nötig sein werden, um die verschiedenen Möglichkeiten der Zusammensetzung zu entwirren.“ Diese Kombination der Untersuchung natürlicher planetarer Analoga mit Experimenten im Labor stellt die größte Stärke des Projekts dar. Die älteste Marskruste besteht zum Beispiel aus verschiedenen Schichten, in denen Karbonate vorkommen, die es auf der Erde nicht gibt. Bislang wurde davon ausgegangen, dass diese auf die Verwitterung verschiedener Schichten von Ausgangsgestein zurückzuführen sind, jedoch konnte das Projektteam aufzeigen, dass sie die natürliche Folge der Interaktion eines einzelnen Gesteins mit sauren Lösungen ist, die in der Atmosphäre vorkommen. Insgesamt dient die PTAL-Bibliothek als hervorragendes Sprungbrett für zukünftige Forschung. Forschende werden fundierte Aussagen über das Wetter, das Klima, die geologische Evolution und ihre Folgen für die Entwicklung von Lebensformen auf einem anderen Planeten treffen können, indem sie weitere Informationen über die Umweltbedingungen auf dem Mars in ihre Überlegungen einbeziehen. Die Ergebnisse sind aber auch für die Erforschung der Evolution der Erde selbst von Bedeutung.
Schlüsselbegriffe
PTAL, Mars, spektrale Datenbank, Bibliothek, Analoga auf der Erde, ExoMars