Neue Technologie wappnet das Immunsystem von Nutzpflanzen gegen Angriffe
Ein erheblicher Anteil der weltweiten Ernten geht jedes Jahr durch Pflanzenkrankheiten verloren. Pestizide tragen zwar dazu bei, diese Verluste zu reduzieren, Pestizidresistenzen und deren Auswirkungen auf die Gesundheit sowie auf die Umwelt geben jedoch Anlass zur Sorge. Eine Alternative stellt die Behandlung von Pflanzen mit chemischen Priming-Stoffen dar, durch die ihre Resistenz gegen Schädlinge und Krankheiten verbessert wird. Dieser lang anhaltende Schutz basiert auf einer Art immunologischem Gedächtnis, das die Pflanzen mit einer schnelleren und stärkeren Immunantwort gegen zukünftige Angriffe ausrüstet. Das EU-finanzierte Projekt ChemPrime stellte sich dieser Herausforderung, indem es dem Einsatz chemischer Priming-Agenzien für Pflanzen als Pflanzenschutzstrategie die Tür öffnete. „Die Initiative zielte darauf ab, spezifisches Wissen zu erlangen, um die Umsetzung unserer Grundlagenforschung zum chemisch induzierten Immungedächtnis der Pflanzen in Pflanzenschutzstrategien zu ermöglichen“, meint Projektkoordinator Jurriaan Ton.
Wichtige Erkenntnisse
Das Projekt arbeitete mit Agrartechnologie-Unternehmen zusammen, um mögliche Hürden bei der Einführung von Priming-Chemikalien als Pflanzenschutztechnologie zu ermitteln und Wege zur Kommerzialisierung aufzuzeigen. Den Forschenden gelang es auch, die Syntheseeffizienz von Priming-Chemikalien zu steigern. Dadurch werden die Herstellungskosten gesenkt und die Agenzien erschwinglicher und attraktiver für die landwirtschaftliche Nutzung. Frühere Forschungen identifizierten Mechanismen, durch die ausgewählte β-Aminosäure-Chemikalien ein breites Resistenzspektrum mit minimalen Nebenwirkungen auf das Pflanzenwachstum induzieren können. „Ein früheres Projekt des Europäischen Forschungsrates mit dem Namen PRIME-A-PLANT führte zu wichtigen Erkenntnissen darüber, wie Pflanzen die Priming-induzierenden Chemikalien erkennen und darauf reagieren. ChemPrime hat diese Erkenntnisse in Zusammenarbeit mit kommerziellen Interessengruppen zu einer Pflanzenschutzstrategie weiterentwickelt“, erklärt Ton.
Neue Technologie
Erste Projektarbeiten umfassten translationale Forschung, um das Konzept für kommerzielle Interessengruppen interessanter zu machen. „Wir identifizierten genetische Targets, um die Wirksamkeit der Priming-Reaktion auf ausgewählte β-Aminosäuren zu verbessern. Außerdem untersuchten wir die Wirksamkeit dieser Priming-Chemikalien gegen eine Reihe wirtschaftlich bedeutsamer Pflanzenkrankheiten, das Auftreten chemischer Rückstände in Pflanzenprodukten und die Bedeutung der chemischen Formulierung für die Anwendung in verschiedenen Produktionssystemen", merkt Ton an. In einer zweiten Phase zeigte das Projekt Wege für die Kommerzialisierung und Anwendung von Priming-Chemikalien als neue Pflanzenschutztechnologie auf. Diese Forschung hat ermittelt, dass eine genetische (und möglicherweise epigenetische) Selektion von Nutzpflanzensorten, die optimal auf Priming-Chemikalien reagieren, erforderlich ist, um die Technologie an bestimmte Pflanzenerzeugnisse anpassen zu können. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass hydroponische Produktionssysteme, wie Gewächshäuser und vertikale urbane Landwirtschaft, der praktikabelste und hindernisfreie Weg zur Anwendung sind, während die Nutzung von Priming-Chemikalien in bodenbasierten Produktionssystemen eine kulturspezifische Optimierung der Technologie zur Beschichtung von langsam freisetzendem Saatgut erfordert. Von Bedeutung ist, dass diese Forschung auch den Bedarf an kosteneffizienten Synthese-Pipelines für Priming-Chemikalien bestimmen konnte, um die potenzielle Nachfrage in der Pflanzenschutzindustrie zu erhöhen.
Kommerzielles Engagement
ChemPrime erzielte Ergebnisse, die sowohl von wissenschaftlichem als auch von translationalem Wert sind. „Wir konnten neue regulatorische Gene in der Wahrnehmung, der Signalweiterleitung und den Kompromissen beim chemischen Immun-Priming in Pflanzen aufdecken“, so Ton. „Diese können von Pflanzenzüchtungsunternehmen genutzt werden, indem sie Pflanzensorten auswählen, die gut auf diese resistenzauslösenden Chemikalien reagieren. Unsere Ergebnisse liefern auch neue Hinweise auf die Mechanismen, durch die ‚geprimte‘ Pflanzen das epigenetische Immungedächtnis bewahren.“ Die Zusammenarbeit mit der Agrartechnikbranche förderte ein besseres Verständnis des Nutzungspotenzials von chemischen Priming-Agenzien sowie der Anforderungen und Erwartungen der Interessengruppen an neue Pflanzenschutzstrategien. „Dies führte zu einer neuen Forschungspartnerschaft mit einem Saatgutunternehmen, die darauf abzielt, epigenetische Variationen in Kopfsalat zu nutzen, um das Immun-Priming gegen Falschen Mehltau zu optimieren. Darüber hinaus prüft ChemPrime Finanzierungsmöglichkeiten für die Gründung eines Spin-off-Unternehmens zur biochemischen Herstellung bioaktiver β-Aminosäuren“, schließt Ton.
Schlüsselbegriffe
ChemPrime, Priming, Pflanzenschutz, Pflanzen, Pestizide, Immungedächtnis, Resistenz-induzierende β-Aminosäuren, R-β-Aminobuttersäure, R-β-Homoserin