Skip to main content
European Commission logo
Deutsch Deutsch
CORDIS - Forschungsergebnisse der EU
CORDIS
CORDIS Web 30th anniversary CORDIS Web 30th anniversary

Expert Rule? Judges, Lawyers, and the Practices of Interpretation in International Criminal Law

Article Category

Article available in the following languages:

Wie entwickeln internationale Gerichte das internationale Strafrecht?

In den letzten 30 Jahren ist die Zahl internationaler Gerichtshöfe deutlich gestiegen und durch ihre Entscheidungen haben sie das Recht – insbesondere das internationale Strafrecht – verstärkt selbst mitgestaltet. Doch wie konnten internationale Strafgerichtshöfe das Recht derart grundlegend prägen und welche Konsequenzen ergaben sich daraus?

Internationale Gerichte haben zuweilen die Rechtsauslegung bestimmter Regelungen aktualisiert oder präzisiert. Internationale Gerichte im Bereich Strafrecht – als besonders prominentes Beispiel – beschreiben die Entwicklung von Recht und Gesetz sogar als eine ihrer wichtigsten Leistungen. Wie stark aber wirken gerichtliche Interpretationen in die globale Ordnungspolitik hinein? Und wie konnten internationale Gerichtshöfe, die innerhalb der Grenzen bestehenden Rechts agieren müssen, so substanziell Rechtsentwicklung betreiben und welche Folgen brachte das mit sich? Um das herauszufinden, erforschte das EU-finanzierte Projekt EaRL die breitere Relevanz von Entscheidungen internationaler Strafgerichte, die zunehmend unter Druck geraten. Die Marie-Skłodowska-Curie-Stipendiatin Nora Stappert erklärt: „Ich betrachtete drei Ursachen für richterliches Ermessen, die in der Rechtstheorie beschrieben werden: ‚Lücken‘ in den Rechtsvorschriften aufgrund unvorhergesehener Umstände; verschiedene Arten von Rechtsvorschriften, die mehr Spielraum lassen, wie beispielsweise Gewohnheitsrecht; und rechtliche Erwägungen, bei denen Rechtsvorschriften auf tatsächliche Situationen angewandt werden, die an sich oft nicht eindeutig sind“. Die Rechtstheorie schlägt sich in den beruflichen Überzeugungen der Richterinnen und Richter nieder, wie internationales Recht auszulegen sei. Stappert zufolge war „bei vielen Richterinnen, Richtern und juristischen Fachleuten im internationalen Strafrecht unter anderem die Annahme weit verbreitet, dass internationale Gerichte ihren Verantwortungsbereich möglichst nicht überschreiten sollten. Das beschränkte das Potenzial für Kreativität und Veränderungen in der Rechtsauslegung.“

Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs

Seit dem Ende des Kalten Krieges ist die Zahl internationaler Gerichtshöfe stark gestiegen. Ein Beispiel sind die Internationalen Kriegsverbrechertribunale des Sicherheitsrates der UNO, die sich Anfang der 1990er Jahre mit dem ehemaligen Jugoslawien und Ruanda befassten. Daraufhin entstand 1998 der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) als erster ständiger internationaler Gerichtshof, der Einzelpersonen wegen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Verantwortung zog. Internationale Strafgerichtshöfe brachten so in wachsendem Umfang Rechtsprechung hervor, deren Entscheidungen sich nicht nur auf die Fakten des jeweiligen Falls bezogen, sondern auch schwierige Rechtsfragen klärten. Auf dieser Basis wurde entschieden, inwiefern die Fragen auf den vorliegenden Fall anwendbar waren (zum Beispiel wie Befehlsverantwortung interpretiert werden sollte – eine Form der Haftung, bei der militärische Befehlshaber für Vergehen ihrer Untergebenen zur Verantwortung gezogen werden).

Internationales Strafrecht in der Entwicklung

Bei der Auseinandersetzung mit Rechtsfragen können internationale Gerichte internationales Recht schaffen. In vielen Rechtssystemen entwickeln Richterinnen und Richtern das Recht weiter, indem sie eine gerichtliche Entscheidung bei der Anwendung auf einen neuen Fall präzisieren. Dieser kann dann wiederum bei späteren Entscheidungen als Präzedenzfall herangezogen werden. Das internationale Strafrecht zeichnet sich dadurch aus, dass die internationalen Gerichte die Rechtsentwicklung besonders schnell vorantrieben. Das Projekt EaRL hat nun mithilfe von Rechtstheorie und Methoden der Sozialforschung untersucht, wie solche Entwicklungen möglich sind, obwohl die Rechtsauslegung in keinem Falle über bestehendes Recht hinausgehen darf. Eine genaue Beleuchtung der Funktionsweise internationaler Gerichtshöfe ist wichtig, da einige bereits verstärkt unter Druck geraten sind. Dem IStGH wurden Vorurteile gegenüber afrikanischen Angeklagten vorgeworfen, einige Staaten drohten mit Austritt aus dem Gerichtshof, andere traten sofort aus. Im Dezember 2019 wurde formal ein Ausschuss unabhängiger Sachverständiger ins Leben gerufen, um die Arbeit des Gerichts zu verbessern. Stapperts bedeutsame Forschung hat vor allem gezeigt, wie die Praxis der Rechtsauslegung rechtliche Bedeutung schaffen kann, und gleichzeitig ein methodisches Instrumentarium vorgelegt, um die Praxis der Rechtsauslegung im internationalen Recht empirisch zu erforschen.

Schlüsselbegriffe

EaRL, internationale Gerichtshöfe, internationale Gerichte, internationales Strafrecht, Rechtsauslegung, globale Ordnungspolitik

Entdecken Sie Artikel in demselben Anwendungsbereich