Zweites Leben für Archivdaten dank neuer Anwendung für Architektur und virtuell-reales Spieledesign
Unsere Gesellschaft badet im wahrsten Sinne des Wortes in Daten. Tag für Tag produziert die Menschheit etwa 2,5 Trillionen Bytes. Allein in den vergangenen zwei Jahren haben wir 90 % der gegenwärtig weltweit verfügbaren Daten erzeugt. Für einige der kreativsten unter uns, die zum Beispiel in virtuell realen Welten agierende Spiele oder neue Architektur erschaffen, ist diese Menge an Informationen ein echter Segen. Jedoch verlangt ihre heterogene Natur nach innovativen Mitteln, um sie in Form von 3D-Rekonstruktionen und Modellen wiederverwenden zu können. Genau darum gehe es bei dem Projekt V4Design (Visual and textual content re-purposing FOR(4) architecture, Design and video virtual reality games), wie Stefanos Vrochidis erläutert, der Projektkoordinator und leitender Forscher am Zentrum für Forschung und Technik – Hellas (CERTH) ist. „V4Design bietet die Möglichkeit, existierende Bild und Textinhalte von Inhalteanbietern und öffentlichen Internetressourcen wiederzuverwenden und zu neuen Zwecken zu nutzen. Wir haben modernste Technologien aus den Bereichen maschinelles Sehen, 3D-Generierung, Textanalyse und -erstellung sowie semantische Integration und Verknüpfung eingebunden und kombiniert. Damit bieten wir den Kreativschaffenden aus den Bereichen Architektur, Spieleentwicklung und Spieledesign mit virtueller Realität innovative Werkzeuge, mit denen heterogene multimediale Inhalte wiederverwendet und neu genutzt werden können.“ Stellen Sie sich vor, Sie erfinden Spiele und möchten sich von Archivmaterial und Dokumentationen zu neuen Ideen anregen lassen. Dabei handelt es sich natürlich um großartige Inspirationsquellen, aber gegenwärtig gibt es keine Mittel, um sie zu neuen Zwecken zu nutzen. V4Design füllt nun diese Lücke, indem es eine automatische Inhaltsanalyse und nahtlose Umwandlung in verwertbare 3D-Rekonstruktionen durchführt. Die Zeit- und damit auch Kostenersparnis ist beachtlich. „In der Architektur und bei der Videospielentwicklung kommen heutzutage konventionelle analoge Prototypen zum Einsatz. Dazu zählen maßstabsgetreue Modelle und physische Demo-Umgebungen wie etwa Räume und Wohnungen. Prototypen dieser Art aufzubauen, gestaltet sich viel teurer und zeitraubender als bereits vorhandene digitale Inhalte anzuwenden. Zudem sind diese Prototypen sehr statisch“, betont Vrochidis. Mit V4Design erfolgt die Erstellung der Prototypen schneller, kostengünstiger und effizienter. Einfache Modifikationen auf der Grundlage dynamischer 3D-Modelle sind möglich.
Ein Meer der Möglichkeiten
V4Design umfasst zwei Anwendungsgestaltungswerkzeuge: eins für Spieledesign unter Einbeziehung von virtueller Realität und eins für Architektur. Bei beiden werden innovative 3D-Modell-Rekonstruktionsverfahren auf die visuellen Inhalte (Videos und Bilder) angewandt, um interessante dreidimensionale Bestände wie zum Beispiel Gebäude und Objekte zu extrahieren. Von dort aus werden die Inhalte mit Lösungen für maschinelles Sehen und Textanalyse weiterverarbeitet, Annotationen extrahiert und die generierten 3D-Modelle dynamisch mit Informationen angereichert. Am Ende der Arbeitsabläufe sind alle verfügbaren Informationen in Form von umfangreichen Wissensgraphen semantisch miteinander verknüpft. Dann bieten sich erweiterte Indizierungs- und Rückgewinnungsmöglichkeiten. Inzwischen kommt die Textgenerierung zum Einsatz, um mehrsprachige Zusammenfassungen der Assets zu erstellen und die Endanwendenden bei der Nutzung der Informationen zu unterstützen. Das Projekt V4Design wird planmäßig im März 2021 abgeschlossen; die beiden Lösungen sind jedoch bereits im Einsatz. Die Architekturlösung wird als Plug-in präsentiert, das auf der bewährten Rhinoceros 3D-Anwendung aufbaut, während die Spieledesignlösung entweder über die Spiel-Engine Unity oder direkt über die virtuell-reale Umgebung gestartet werden kann. Architekturschaffende können die Anwendung für architektonische Entwürfe unter Bezugnahme auf existierende oder historische Gebäude und Orte nutzen. Im Spieledesign mit virtueller Realität kann auf diese Weise zum Beispiel ein virtuell-reales Zeitreiseerlebnis erschaffen werden. Georgios Meditskos, promovierter wissenschaftlicher Mitarbeiter am ITI-CERTH und zugleich technischer Leiter des Projekts, schließt jedoch auch weitere potenzielle Anwendungsfälle nicht aus. „Ein Beispiel ist die Ersthilfe im Katastrophenfall, bei der die Erschaffung einer dreidimensionalen, semantisch angereicherten Umgebung das Situationsbewusstsein aller Beteiligten und die Entscheidungsfindung verbessern könnte“, legt er dar. „Im Gesundheitswesen könnten wir digitale Zwillinge von erkrankten Menschen erstellen und sie in eine mit virtueller Realität dargestellte Umgebung integrieren, um hochwertige Überwachungs- und Behandlungslösungen zu realisieren. Auch Fahrzeugdesign und kulturelles Erbe sind denkbare Bereiche.“ Das Projekt befindet sich nun in seiner Endphase und das Team ist damit beschäftigt, die endgültige Version der Plattform vorzubereiten. Diese Arbeit beinhaltet strenge Prüfungen und die Lösung aller auftauchenden Probleme, um die hohe Qualität und Zuverlässigkeit der Plattform zu garantieren. „Da nun die letzten Phasen des Projekts in vollem Gange sind, organisieren wir gerade die abschließende Evaluierungsphase, um die Lösung in realen Anwendungsfällen aus den Bereichen Architektur und virtuell-reales Spieledesign zu validieren und zu bewerten“, erläutert Meditskos abschließend.
Schlüsselbegriffe
V4Design, Architektur, virtuelle Realität, Archiv, Bildinhalte, Textinformationen, dreidimensionale Rekonstruktion, 3D-Rekonstruktion