Vor Ort, aus der Ferne und durch alle Zeiten – mit 3D-Modellen unser gebautes Kulturerbe erforschen
Die 3D-Rekonstruktion hat das Erlebnis des Kulturerbes für das Publikum bereits erheblich bereichert, doch wird sie immer noch durch die Einschränkungen, die von Ausstattung, Speicherkapazitäten und Kosteneffizienz herrühren, beeinträchtigt. Durch die Anpassung der derzeit verfügbaren Technologie hat das EU-finanzierte Projekt INCEPTION (Inclusive Cultural Heritage in Europe through 3D semantic modelling) neu definiert, wie unser kulturelles Erbe durch die 3D-Modellierung besser erschlossen werden kann. INCEPTION verwendete moderne Verfahren der Bauwerksdatenmodellierung, um 3D-Modelle der nächsten Generation von Artefakten und Umgebungen zu erstellen, die digital mit kontextbezogenen technischen und historischen Informationen versehen werden. Diese Modelle wurden in die Webplattform des Projekts integriert, auf die die Nutzenden mit Werkzeugen für virtuelle Realität und erweiterte Realität zugreifen konnten. Mit interaktiven Funktionen wie Time Machine können die Nutzenden die dynamische Rekonstruktion von Gebäuden über Zeiträume hinweg erleben.
3D-Modellierung: Erfassung, Verarbeitung und Endnutzung
Bei der Modellierung von Gebäuden oder Kulturerbestätten stellen 3D-Laserscanner und Datenerfassungstechnologien (einschließlich Drohnen und Robotern) in der Regel die Ausgangsdatenquellen für die Bauwerksdatenmodellierung dar. INCEPTION erfasst diese Daten und lädt sie auf seine Plattform hoch, wo sie zusammen mit georäumlichen Koordinaten zur Positionierung von Objekten oder Sehenswürdigkeiten (wie z. B. historischen Gebäuden) auf einer Weltkarte verwendet werden. Die Modelle werden dann mit erläuternden digitalen Informationen (z. B. historischen Dokumenten) angereichert, die den physischen Elementen oder Zeitpunkten entsprechen. Mit einem Standard-Webbrowser können Nutzerinnen und Nutzer – von Forschenden bis hin zu Mitgliedern der Öffentlichkeit – die auf die Plattform hochgeladenen Modelle (kostenlos) mithilfe von Schlüsselwörtern sowie räumlichen und mit mehreren Kriterien versehenen Abfragen durchsuchen. Sie können dann mit dem Modell entweder vor Ort, mit den Werkzeugen der virtuellen Realität oder aus der Ferne über die Webplattform interagieren. Die Nutzerinnen und Nutzer können einen bestimmten Zeitraum oder ein bestimmtes physisches Element auswählen, das sie erforschen möchten, und die entsprechende Version des Modells wird angezeigt. Bei dem Modell des Istituto degli Innocenti (eine der Fallstudien des Projekts) in Florenz, Italien, können die Nutzenden beispielsweise durch Auswahl eines seiner neun halbkreisförmigen Rundbögen nicht nur mehr über die Terrakotta-Entwürfe (von Andrea della Robbia), sondern auch über die ursprüngliche Funktion des Gebäudes als Waisenhaus erfahren, auf die das Reliefdesign anspielt. Die offenen Standards und Arbeitsabläufe von INCEPTION für die 3D-Modellierung des Kulturerbes (bekannt als „Open H-BIM“) ermöglichen es, die Technologie bei breiter angelegten Bemühungen um das Kulturerbe zu integrieren. Die Nutzerinnen und Nutzer können Grundmodelle in das System hochladen und sie dann im Laufe der Zeit aktualisieren, wie z. B. ein Wiki. Darüber hinaus werden alle Informationen der Plattform gemäß den Standards des semantischen Webs kodiert, wodurch sie maschinenlesbar werden. Der INCEPTION-Prozess wurde in neun Demonstrationsfällen in sechs europäischen Partnerländern (Griechenland, Italien, Kroatien, Niederlande, Spanien und Zypern) getestet, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Hintergründe ausgewählt wurden und die sich in Typologie, physischen Dimensionen, Erhaltungszustand und Hauptzweck (Tourismus, Erhaltungszustand usw.) unterscheiden. „Der wegweisende technische Kern der INCEPTION-Plattform definiert die Bedeutung von 3D-Modellen des kulturellen Erbes neu und positioniert sie als Wissensaggregatoren“, sagt der Projektkoordinator Roberto Di Giulio. „Der unmittelbar nächste Schritt besteht darin, die Plattform mit weiteren 3D-Modellen von Gebäuden und Stätten des europäischen Kulturerbes zu bestücken und u. a. Materialien wie Videos, Bilder, Texte, Audiodateien aus bedeutenden institutionellen Quellen wie der Europeana zu verknüpfen“, fügt Di Giulio hinzu. Das Projekt resultierte in einem innovativen Start-up-Unternehmen. INCEPTION Srl wurde als Spin-off der Universität Ferrara ausgegründet. Das Unternehmen nutzt die Ergebnisse des EU-finanzierten Projekts, indem es u. a. öffentliche Verwaltungen, Museen, Grundstückseigentümer mit Softwarelösungen auf Basis der INCEPTION Core Engine ausstattet. Es bietet Lösungen für die Verwaltung, Visualisierung und Archivierung von 3D- oder der Bauwerksdatenmodellierung entsprechenden Modellen sowie allen maßgeblichen digitalen Dokumenten, die durch semantische Technologien aggregiert werden.
Schlüsselbegriffe
INCEPTION, semantisches Web, kulturelles Erbe, 3D-Modelle, virtuelle Realität, erweiterte Realität, Bauwerksdatenmodellierung, Design, Kulturerbestätten, digital