Erster oraler Impfstoff gegen Durchfall
Enterotoxische Escherichia coli (ETEC) verursachen beim Verzehr von verunreinigter Nahrung oder Wasser Durchfallerkrankungen. Ihre im Dünndarm ausgeschiedenen Toxine führen zu einer übermäßigen Flüssigkeitsansammlung, was Auslöser des Durchfalls ist. Da derzeit keine Methode zur Prävention von ETEC-bedingtem Durchfall zugelassen ist, werden (zulassungsüberschreitend) Antibiotika wie Rifaximin oder der Choleraimpfstoff Dukoral empfohlen.
Impfstoff gegen ETEC
Gegen ETEC-bedingten Durchfall entwickelte das EU-finanzierte Projekt ETVAX nun den weltweit ersten oralen Impfstoff. „Der Impfstoff ETVAX® enthält vier verschiedene inaktivierte rekombinante Escherichia coli-Stämme, die die wichtigsten Faktoren für die bakterielle Besiedlung exprimieren, sowie ein Toxoid des LT-Toxins, das in bis zu 60 % aller ETEC-Isolate nachweisbar ist“, erklärt Björn Sjöstrand, Koordinator von ETVAX und Geschäftsführer des Unternehmens Scandinavian Biopharma. Schließlich enthält der Impfstoff das doppelt mutierte Enterotoxin von Escherichia coli dmLT als Schleimhautadjuvans. Der Impfstoff befindet sich bereits in der späten Entwicklungsphase. Sechs klinische Studien für die Indikation bei Erwachsenen und eine klinische Studie für Kinder wurden bereits erfolgreich abgeschlossen. Wie Studien an pädiatrischen Populationen in Bangladesch und Sambia belegen, waren Sicherheit und Immunogenität des Impfstoffs hervorragend. Dabei erzeugte ETVAX® in allen Altersgruppen mit nur zwei Impfdosen eine signifikante Immunantwort des mukosalen Immunglobulins A gegen alle Impfstoffantigene und übertraf damit die Erwartungen. Ein interessanter Aspekt war, dass die Immunantwort mit dem Alter der Geimpften korrelierte, wobei die stärkste und ausgeprägteste Reaktion gegen alle Antigene bei Erwachsenen beobachtet wurde, die im späteren Alter wieder leicht abnahm. Zudem verbesserte das dmLT-Adjuvans die Ausprägung, Breite und Kinetik der Immunantwort bei Kindern, sodass von einem frühzeitigen Impfschutz auszugehen ist. Mit den Fördermitteln aus dem Partnerschaftsprogramm von europäischen Ländern und Entwicklungsländern für klinische Versuche konnte das Unternehmen Scandinavian Biopharma in Sambia und Gambia Studien mit bislang vielversprechenden Ergebnissen beginnen. „Das Ergebnis dieser pädiatrischen Studien wird den Weg für die entscheidende Phase-3-Studie und damit zur Vorqualifizierung von ETVAX® durch die Weltgesundheitsorganisation ebnen“, betont Sjöstrand. Zudem lieferte ETVAX® vielversprechende Ergebnisse in einer randomisierten, placebokontrollierten Studie mit mehr als 720 finnischen Erwachsenen, die in Westafrika reisten. Obwohl der Impfschutz von 70 % gegen Reisedurchfall (travellers’ diarrhoea, TD) nicht erreicht wurde, ist die Immunogenität des Impfstoffs als gut zu bewerten. Der Impfstoff vermittelt einen breiten, signifikanten Schutz vor allen ETEC-Bakterien, bakteriellen Co-Pathogenen und Parasiten. Infolgedessen hatten die Teilnehmer eine abgeschwächte Durchfallerkrankung und benötigten weniger Antibiotika.
Medizinische Bedeutung
ETEC ist eine der Hauptursachen für Durchfallerkrankungen bei Kindern in ETEC-endemischen Ländern, mit jährlich etwa 400 000 Todesfällen bei Kindern unter 5 Jahren. Wie Sjöstrand erklärt, könne „ETVAX® in Entwicklungsländern den enormen medizinischen Bedarf für eine wirksame, dauerhafte Prävention von bakteriellem Durchfall bei Kindern decken.“ So würde allein dieser Impfstoff Tausende Todesfälle und Erkrankungen verhindern, die im Säuglings- und Kleinkindalter zu körperlichen und kognitiven Entwicklungsstörungen führen. Daten zur Sicherheit ab einem Alter von sechs Monaten zeigen, dass ETVAX® anderen Impfstoffkandidaten überlegen ist, die derzeit gegen ETEC-induzierten Durchfall in der Entwicklungsphase sind. Im Zusammenhang mit Reisedurchfall könnte ein Impfstoff gegen ETEC dazu beitragen, dass Millionen wohlverdienter Urlaubsreisen beschwerdefrei und ohne chronische Darmerkrankungen ablaufen.
Schlüsselbegriffe
ETVAX, Impfstoff, ETEC, Durchfall, Kinder, TD, oraler Impfstoff, dmLT, enterotoxisches Escherichia coli, Reisedurchfall