Big Data-fähige Verkehrspolitik für unsere Städte
Es ist nie leicht, vertraute Pfade zu verlassen. Dies gilt für fast alles: Vom ersten Mal, an dem die Großeltern ein Smartphone benutzten, bis hin zur Reaktion der öffentlichen Verwaltung, als sie zum ersten Mal von Big Data hörte. Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Autounfälle. In der Regel erhielten politische Verantwortliche Beschwerden von der Anwohnerschaft oder der Zivilgesellschaft und untersuchten diese anschließend. Mit Big Data haben sie jedoch die Möglichkeit, mithilfe von Polizeidaten auf interaktive Karten zuzugreifen, um einen dynamischen Überblick über Verkehrsunfälle in der gesamten Stadt zu erhalten. Hier liegt der Unterschied zwischen langsamen, realitätsfremden politischen Entscheidungsprozessen und zügigen und effektiven Entscheidungen. „Viele Entscheidungsträger sind immer noch in der traditionellen Vorgehensweise verwurzelt. Sie treffen politische Entscheidungen auf der Grundlage statischer Konsultationsmodelle und geschlossener Planungssitzungen im Zeitraum von einem Jahr oder mehr. Ihre Maßnahmen sind oft isoliert und langsam und bieten mittlerweile veraltete Lösungen, wenn sie schließlich implementiert werden können“, sagt Lieven Raes, Koordinator von PoliVisu (Policy Development based on Advanced Geospatial Data Analytics and Visualisation).
Von interaktiven Karten zu besseren Richtlinien
PoliVisu möchte diese alten Methoden durch Verbesserung der Datenkompetenz und Zugang zu fortschrittlicher Technologie hinterfragen. Die Werkzeuge zur Visualisierung von Richtlinien basieren auf interaktiven Karten, die Daten anzeigen und deren visuelle Erkundung bis ins kleinste Detail ermöglichen. Das Projekt konzentrierte sich speziell auf Verkehr und Mobilität. Raes merkt an: „Es ist ein Bereich mit vielen potenziellen Datensätzen. Mobilität bildet das Rückgrat jeder Stadt und sie ist ein großartiges Thema, mit dem man an unterschiedlich großen Orten und mit jeweils unterschiedlichem Fortschrittsstatus unter Nutzung von Big Data experimentieren kann.“ Neben Verkehrsunfällen konzentrierte sich das Projektteam auf eine Verkehrsmodellierung sowie ein Instrument zur Erhöhung der Sicherheit auf Straßen, an denen sich eine Schule befindet. Während Ersteres Echtzeitdaten zu Verkehrsströmen liefert und die Simulation von Notständen oder Straßeninstandhaltung ermöglicht, bietet Letzteres Sensoren, die Anwohnerinnen und Anwohner an ihren Fenstern anbringen können. Die Sensoren messen den Verkehr und liefern die erfassten Daten an die Verwaltungen, damit diese beispielsweise entscheiden können, welche Straße am Morgen gesperrt werden soll. „Wir haben zunächst drei Pilotprojekte in drei Städten durchgeführt“, erklärt Raes. „In Issy-les-Moulineaux (Frankreich) haben wir nach einer Lösung für ein hohes Verkehrsaufkommen gesucht. In Gent (Belgien) wussten die Behörden nicht, wo sich die Studierenden innerhalb der Bevölkerung konzentrierten, sodass sie keine relevanten Dienste an den optimalen Standorten erbringen konnten. Wir haben mit mehreren Datenquellen experimentiert, um die benötigten Informationen zu finden. Abschließend haben wir Verkehrsprognosen für den in Pilsen (Tschechien) vorgesehenen Straßenbau erstellt, um negative Auswirkungen zu vermeiden.“ Das Projektteam erstellte insgesamt 15 strategische Visualisierungen. In Kürze werden außerdem ein Buch sowie ein Online-Kurs zum Thema Daten für die Politik veröffentlicht, um Informationen über die Vorteile der Datenvisualisierung für eine bessere politische Entscheidungsfindung zu liefern. Der Zugriff auf die Daten war nicht immer einfach, aber es hat sich definitiv gelohnt. Die drei ersten Pilotstädte verwenden bis heute die Instrumente von PoliVisu. „Oft waren die benötigten Daten nicht vorhanden oder sie befanden sich im Besitz von jemand anderem, der eine große Geldsumme für ihre Nutzung wollte. In Gent etwa war keine einzige Datenquelle verfügbar. Wir mussten Daten aus verschiedenen Quellen wie anonymisierten Universitätsunterlagen und von Proximus-Telekommunikation erfassen. Jetzt haben sie eine gute Vorstellung davon, wo sich ihre Studierenden unter der Woche und am Wochenende aufhalten“, fügt Raes hinzu. Bis zum Ende des Projekts wird das Team interessierten Städten ein Instrumentarium mit Datenverarbeitungs- und Visualisierungsinstrumenten zur Verfügung stellen. Das Instrumentarium wird mit einer strukturierten und maßgeschneiderten Methodik sowie realen Fallstudien als Inspirationsquellen verbunden, um offene (Geo-)Daten in den Lebenszyklus der politischen Entscheidungsfindung einzuführen.
Schlüsselbegriffe
PoliVisu, Verkehr, Big Data, Verkehr, Stau, Schule, Straßen, politische Entscheidungsfindung, Autounfälle