Neue Brennstoffzellentechnologie vereinfacht Übergang der Industrie zu wasserstoffbetriebenen Flotten
Es werden nicht von heute auf morgen alle herkömmlichen Tankstellen durch Ladestationen für Elektrofahrzeuge, geschweige denn durch Wasserstofftankstellen, ersetzt. Der Übergang wird schrittweise erfolgen und im Fall von Elektrofahrzeugen mit Brennstoffzellen trifft dies auch auf die eingesetzten Technologien zu. Das Projekt CH2P (Cogeneration of Hydrogen and Power using solid oxide based system fed by methane rich gas) entstand aus der Erkenntnis heraus, dass umweltfreundlicher Wasserstoff aus erneuerbaren Energien von Natur aus wechselhaft ist und manchmal Sicherheit in Form einer anderen Quelle notwendig ist. Das Projekt zielte somit darauf ab, eine Übergangstechnologie zu entwerfen: Ein System, das Wasserstoff aus CO2-armem Erdgas oder Biomethan gewinnt. Die Festoxid-Brennstoffzelle von CH2P gleicht einem kombinierten Wärme- und Stromsystem. Es nutzt die hochwertige Wärme der Brennstoffzelle zur Gewinnung von Wasserstoff. Ein Prototyp wird im Shell Technology Centre in Amsterdam, Niederlande, für die Testphase vorbereitet. Luigi Crema, Koordinator von CH2P, gewährt uns Einblicke ins Projekt.
Derzeit scheinen Elektrofahrzeuge bei Fahrzeugherstellern und Tankstellennetzen Priorität zu genießen. Wie erklären Sie sich das mangelnde Interesse an Elektrofahrzeugen mit Brennstoffzellen?
Luigi Crema: Bei äußerer Betrachtung trifft diese Beobachtung zu. Die Ursache ist wahrscheinlich der derzeitige Stand der Entwicklung von Tankstellennetzen und der Infrastruktur für Wasserstoff. Doch in mehreren EU-Ländern ändert sich die Lage rapide. In Deutschland wurden beispielsweise 80 Wasserstofftankstellen gebaut; der Plan sieht bis 2030 ein Netzwerk aus 1 000 solchen Tankstellen vor. Es muss auch angemerkt werden, dass das Interesse an Elektrofahrzeugen mit Brennstoffzellen mit der Konsolidierung von Maßnahmen zur Einführung von Ladestationen für batteriebetriebene Elektrofahrzeuge steigt. Obwohl batteriebetriebene Elektrofahrzeuge schon länger entwickelt werden, sehe ich zwei wichtige Faktoren, die in den nächsten Jahren zum wachsenden Interesse an Elektrofahrzeugen mit Brennstoffzellen beitragen werden. Zum einen steigt im Bereich des Schwertransports das Interesse an elektrischen Lastkraftwagen, Schienenfahrzeugen und Schiffen mit Brennstoffzellen. Wasserstoff wird hier als optimale Lösung für Langstreckenfahrzeuge gesehen. Zum anderen wird immer deutlicher, dass wir uns für die zukünftige Abdeckung des Stromverbrauchs nicht auf das Stromnetz allein verlassen können. Eher benötigen wir eine sektorbezogene Einbeziehung, um bis 2050 eine emissionsfreie Gesellschaft aufzubauen. Bei verschiedenen relevanten Anwendungen sind Moleküle (Wasserstoff) den Elektronen (Batterien oder Kabel) überlegen. Meiner Meinung nach kann das Ziel der Europäischen Kommission für 2050 nur mit einer Kombination der beiden Technologien erreicht werden.
Wie erleichtert ein Projekt wie CH2P den Übergang zu einer höheren Akzeptanz der Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzellen?
Bei CH2P handelt es sich um ein innovatives System für Wasserstofftankstellen. Es kann die ersten Schritte zur Einführung einer Transportinfrastruktur für die Akzeptanz der Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzellen unterstützen. Das CH2P-System generiert mithilfe der durch methanreiche Gase betriebenen Technologie der Festoxidzelle gleichzeitig Wasserstoff, Wärme und Strom. Es reduziert den CO2-Fußabdruck durch eine extrem hohe allgemeine Systemeffizienz von bis zu 80 %. Das System erzeugt sowohl Wasserstoff als auch Strom mit weniger Auswirkungen auf die Umwelt als konventionelle Technologien. Es könnte sehr gut für alle alternativen Brennstoffe, die in der EU-Richtlinieüber den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe angeführt werden, als einzige Multi-Brennstoff-Tankstelle verwendet werden.
Was genau macht dieses System so innovativ? Können Sie dies ausführlicher beschreiben?
Durch CH2P werden verschiedene Innovationen eingeführt. Die Erste ist die Methanreformierung in Kombination mit der flexiblen Anwendung einer Festoxidbrennstoffzelle. Diese Flexibilität passt genau auf die Tankbedürfnisse der Endnutzerinnen und Endnutzer. Dabei optimiert die gleichzeitige Gewinnung variabler Anteile Wasserstoff, Wärme und Strom den wirtschaftlichen Wert und CO2-Fußabdruck und ist somit eine sehr effiziente Lösung. Außerdem ist da der Kern der Brennstoffzelle: Wir arbeiten an einer innovativen Systembalance (BoP – Balance of Plant), die sowohl die heißen als auch die kalten Teile umfasst. Der Optimierung des allgemeinen Aufbaus wurde viel Aufmerksamkeit geschenkt. Diese deckt ein effizientes Reinigungssystem in Form einer Druckwechseladsorption zusammen mit einer Druckerhöhung durch einen Wasserstoffkompressor ab.
Wie nah sind Sie daran, Ihre Ziele zu erreichen?
Wir haben alle Bauteile des endgültigen Systems geprüft und die Gefahr eines Fehlschlags durch ausführliche Simulationsprozesse minimiert. Wir haben den allgemeinen Technologieaufbau sowie den Entwurf des Kontroll- und Sicherheitssystems des ersten Prototyps analysiert. In Labor- und Werksprüfungen haben wir das Verhalten und die Leistung einzelner Komponenten geprüft. Diese Aktivität wurde von allen Partnern, inklusive Shell, unterstützt.
Worin bestanden für Sie die größten Herausforderungen und wie konnten Sie diese überwinden?
Es gab einige Verzögerungen während der Aktivitäten, die durch die guten Ergebnisse ausgeglichen wurden. Die CH2P-Technologie ist eher ein Durchbruch als ein kleiner Innovationsschritt für Festoxidzellen. Der Entwurf und die Prüfung einzelner Teile der Technologie war komplex und es stellte eine Herausforderung dar, unsere Ziele mit den Einschränkungen einzelner Komponenten zu vereinbaren. Letztendlich konnten wir unsere ursprünglichen Erwartungen übertreffen, indem wir eine Lösung entwickelt haben, die Flexibilität bei der Anwendung und Stromgewinnung mit hoher Leistungsfähigkeit und geringen Kosten verbindet. Das war am Anfang des Projekts für die grundlegenden Technologiebausteine nicht absehbar, ist aber immer mehr das Leistungsversprechen des CH2P-Systems geworden.
Was müssen Sie bis Projektende außerdem noch in Angriff nehmen?
Wir bereiten uns gerade auf den Testlauf des vollständigen 20 kgH2/Tag-Prototypen bei HyGear in Arnheim (Niederlande) vor. Es folgt die Integration eines zweiten Moduls zur Pilotprüfung im Shell Technology Centre in Amsterdam. Das CH2P-System wird dann mit der lokalen Wasserstofftankstelleninfrastruktur verknüpft. Am Ende des CH2P-Projekts wird Vertech die Auswirkungen auf die Umwelt, die CO2-Emissionen und die Kostenfaktoren in Form einer Ökobilanz bewerten. Aber unsere Arbeit geht noch nicht zuende. Wir haben eine zweite Finanzhilfe erhalten, welche die umgekehrte Verwendung der gleichen Technologie abdeckt, was den inversen Elektrolysemodus zusammen mit der Verwendung von erneuerbaren Energien ermöglicht. Das neue Projekt SWITCH erweitert den Umfang des CH2P-Systems durch die Entwicklung einer neuen Lösung, die überwiegend umweltfreundlichen Wasserstoff (aus erneuerbaren Energien im Elektrolysemodus) generiert, der immer gesichert ist (bei CH2P-Betrieb, aus methanreichen Mischungen). Dies ist eine Voraussetzung für einen sinnvollen Einsatz und eine gleichzeitige Maximierung der Verwendung erneuerbarer Energien.
Schlüsselbegriffe
CH2P, Wasserstoff, Erdgas, Biomethan, Übergangstechnologie, Brennstoffzelle