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Inhalt archiviert am 2024-06-18

ONCOLYTIC HERPESVIRUSES RETARGETED TO CANCER- SPECIFIC RECEPTORS

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Der Feind unseres Feindes: Wie onkolytischer Herpes zur Behandlung von Krebs eingesetzt werden kann

Viren gelten meist als schädlich, können im Kampf gegen noch größere Bedrohungen aber auch zu verlässlichen Verbündeten werden. Ausgehend von diesem Gedanken hat eine vom Europäischen Forschungsrat geförderte Wissenschaftlerin einen neuen onkolytischen Virustypen entwickelt, der eines Tages Krebszellen abtöten könnte, ohne gesunde Zellen zu beschädigen.

Aus bitteren Erfahrungen mit COVID-19 mussten wir lernen, wie anpassungsfähig ein Virus sein kann. Doch das ist nur eines von vielen Beispielen. Es ist allgemein kaum bekannt, dass sich einige Viren selektiv in Krebszellen vermehren können. Diese sogenannten onkolytischen Viren sind entweder natürlich entstanden oder wurden im Labor gezüchtet, um Krebszellen selbst zur Behandlung zu nutzen. Im Gegensatz zu gesunden Zellen bieten diese nämlich weniger Widerstand gegen Virusinfektionen. In der Krebsforschung dreht sich zudem gerade alles um die Differenzierung von Krebszellen aus normalen Zellen, sodass sich hier ein komplexer Forschungsbereich auftut. „Bei den onkolytischen Viren versucht die Wissenschaft vor allem die Vermehrung abzuschwächen“, sagt Maria Gabriella Campadelli von der Universität Bologna, Stipendiatin mit Förderung vom Europäischen Forschungsrat (ERC) und Hauptforscherin des Projekts ONCOLYTIC-HERPES (Oncolytic herpes viruses retargeted to cancer-specific receptors). „Ein so geschwächtes Virus vermehrt sich in Krebszellen, tötet sie und verschont dabei – zum Großteil – die anderen Zellen.“ In der Forschung wird seit über 20 Jahren versucht, geschwächte Viren zur Zerstörung von Krebszellen zu entwickeln. Dazu gehört der geschwächte Herpes-simplex-Virus unter dem Namen T-VEC oder ONCOVEX-GMCSF, der bislang als einziges therapeutisches Arzneimittel zugelassen wurde. Er ist gefahrlos, schlägt sehr gut auf Krebszellen an und kann mehrmals zur Behandlung eingesetzt werden, ohne vom Immunsystem der erkrankten Person blockiert zu werden. Darum ist er für die Behandlung von Melanomen eine der vielversprechendsten Alternativen zu Verfahren wie Chemo- und Strahlentherapie. Es gibt aber ein Problem. Dadurch dass das Virus dazu gebracht wird, zwischen normalen und Krebszellen zu unterscheiden, ist es derart geschwächt worden, dass es die Krebszellen kaum noch abtöten kann. Außerdem wirkt das Virus nur bei einer begrenzten Auswahl von Tumorarten. Deshalb hatte das Team von Campadelli schon vor dem Projekt ONCOLYTIC-HERPES begonnen, Herpes-simplex-Viren zu entwickeln, die ausschließlich Krebszellen befallen und abtöten. Der Prototyp greift HER2 an – einen Rezeptor bei Tumoren in u. a. Brust oder Eierstöcken – und zerstört ihn.

Spezifität vs. Schwächung

„Anstatt die Virulenz abzuschwächen, wollten wir die Spezifität für Krebs steigern und haben dazu den Tropismus der Viren modifiziert (also seine Reaktion auf Reize). Unsere ‚umprogrammierten‘ onkolytischen Herpes-simplex-Viren dringen über spezifische Moleküle an der Oberfläche der Krebszellen ein. In ihrer Zielzelle entfalten sie dann ihre ganze Virulenz. Diese Selektivität bekommen sie eben durch hohe Krebsspezifität und nicht durch allgemeine Abschwächung“, erklärt Campadelli. Im Rahmen des Projektes wollte Campadelli die onkolytischen Herpes-simplex-Viren nun noch so weit verbessern, dass sie in einer klinischen Studie getestet werden können. Zunächst konzipierte ihr Team ein System zur Herstellung solcher umprogrammierter onkolytischer Herpes-simplex-Viren in gesunden Zellen. „Die in früheren Studien genutzten onkolytischen Herpes-simplex-Viren für HER2 wurden noch in Krebszellen erzeugt und uns war klar, dass so eine Methode wohl kaum für ein klinisches Virus zugelassen werden würde. Wir mussten also neue Strategien für die Umprogrammierung ausarbeiten und haben uns für zwei komplexe genetische Modifikationen in den Glykoproteinen des Herpes simplex entschieden, die den Eintritt des Virus in die Zelle steuern. Eine Modifikation ermöglicht die Infektion der Erzeugerzellen über einen künstlichen Rezeptor, den wir entwickelt haben, und die zweite ermöglicht eine Infektion der Krebszellen durch einen ausgewählten Krebsrezeptor“, so Campadelli. Außerdem konnte das ERC-finanzierte Team zeigen, dass onkolytische Herpes-simplex-Viren sehr gut geeignet sind, eine Immunantwort gegen Tumore auszulösen und die Sensibilität für Immuncheckpoint-Inhibitoren (oder eine Kombinationstherapie aus beidem) wesentlich zu erhöhen. Umprogrammierte onkolytische Herpes-simplex-Viren könnten sich auch mit chimären Antigenrezeptor-T-Zellen für solide Tumore kombinieren lassen, aber Tests dazu stehen noch aus. Die Arbeiten des Teams haben zudem gezeigt, dass onkolytische Herpes-simplex-Viren als Plattform für andere Krebsrezeptoren genutzt werden könnten, um u. a. Tumore in Brust, Eierstöcken, Magen, Lunge und Bauchspeicheldrüse sowie Darmkrebs oder Kopf-Hals-Karzinome anzugreifen. Das Virus war nachweislich so krebsspezifisch, dass es – zumindest bei Mäusen – sogar bei ungezielter Verabreichung wirkt. Jetzt, nach Abschluss des Projekts, ist Campadelli auf der Suche nach einem Unternehmen, das die ersten klinischen Studien am Menschen finanziert, voraussichtlich in Kombination mit Checkpoint-Inhibitoren. Im Falle eines Erfolgs könnte diese klinische Studie ein echter Wendepunkt für die Behandlung der von Krebs Betroffenen werden.

Schlüsselbegriffe

ONCOLYTIC-HERPES, HSV, Herpes-simplex-Virus, onkolytisches Virus, Krebs, HER2, Virusvermehrung, umprogrammiert, COVID-19

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