Ein besserer Harnwegsinfektionstest vermeidet unnötige Antibiotika-Verschreibungen
Laut der Europäischen Gesellschaft für Urologie hat die zunehmende Antibiotikaresistenz in Europa für einen Schub in der Forschung und Entwicklung neuer Therapeutika und auf dem Markt für Harnwegsinfektionstests gesorgt. Zu den gängigen Testverfahren für Harnwegsinfektionen zählen zum Beispiel Bakterienkulturtests und Tests auf antimikrobielle Empfindlichkeit, die für gewöhnlich in zentralisierten Diagnoselaboren durchgeführt werden. Diese Methode ist jedoch langsam und arbeitsintensiv. Um das Problem anzugehen, strebte das EU-finanzierte Projekt NG-WTEM einen Konzeptnachweis für ein kompaktes Tischsystem an, das patientennahe Tests auf antibiotikaempfindliche Bakterien direkt in Arztpraxen und Pflegeheimen ermöglichen soll. Die zugrunde liegende Technologie wurde ursprünglich von WaterScope, einem Ableger der Universität Cambridge, für Wasseranalysen in Entwicklungsländern entwickelt, die sich zugleich auch für synergistische Märkte wie Harnwegsinfektionstests interessieren.
Den Anwenderbedürfnissen angepasst
Die Forschenden erbrachten einen ersten Konzeptnachweis, bei dem das Bakterienwachstum anhand von Urinproben schnell bestimmt werden konnte. „Um die Anwenderbedürfnisse und -anforderungen besser zu verstehen, haben wir ein Gruppeninterview mit Allgemeinmedizinern, Urologen und Mikrobiologen von Urintest-Laboren durchgeführt. Dabei haben wir festgestellt, dass das System nur dann als patientennaher Diagnostiktest infrage kommt, wenn die Antibiotika-Empfindlichkeit damit schnell bestimmt werden kann“, so Projektkoordinator Alexander Patto. In europäischen Laboren wird in der Regel mittels konventioneller Bakterienkulturverfahren getestet, die mehr als 24 Stunden dauern und eine manuelle Aufbereitung und Quantifizierung der Proben erfordern. Mit dem automatischen System von WaterScope sind Tests in deutlich kürzerer Zeit möglich.
Ein neuartiger Ansatz
Die Technologie lässt sich problemlos laborfern einsetzen und erfordert kein hochqualifiziertes Personal. „Wir entwickeln derzeit erschwingliche Mikroskope für Wasserschnellanalysen, welche die Präsenz von Bakterien in weniger als sechs Stunden nachweisen können – also vier Mal schneller, als dies mit derzeitigen Testmethoden möglich ist“, erklärt Patto. Das System von NG-WTEM umfasst eine Einwegkartusche und ein kompaktes Tischmikroskop, das die Kultivierung von Bakterienkolonien und die Analyse der Antibiotikum-Empfindlichkeit automatisieren kann. Das Testen wird damit einfacher und zudem außerhalb von mikrobiologischen Diagnoselaboren möglich – bei vergleichbaren Ergebnissen. „Diese neuartige Kartusche vereinfacht die Probenaufbereitung, wodurch menschliche Fehler und Aufbereitungszeiten deutlich reduziert werden“, merkt Patto an.
Große Vorteile
Das System ermöglicht die Quantifizierung und Erkennung von Antibiotika-Empfindlichkeit auf Einzelzellebene. Es quantifiziert die Ergebnisse automatisch, sodass den Betroffenen nicht erst nach Tagen, sondern bereits innerhalb weniger Stunden die geeigneten Antibiotika verschrieben werden können. NG-WTEM ermöglicht somit Entscheidungen für eine effektive Behandlung am gleichen Tag und trägt dazu bei, Therapien mit unnötigen Antibiotika oder Breitbandantibiotika zu vermeiden. „Da das System den Einsatz von Breitbandantibiotika senken kann, wird es entsprechend auch zu einem Rückgang der antimikrobiellen Resistenz bzw. des Selektionsdrucks beitragen. Unsere ersten Anwender werden Heim- bzw. Hausärzte sein, die ihren Patienten dadurch nun die Antibiotika verschreiben können, die für sie tatsächlich angemessen sind“, betont Patto.
Schlüsselbegriffe
NG-WTEM, Harnwegsinfektionen (HWI), Antibiotika, Wasseranalysen, Kartusche, Mikroskop